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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wusste nur John Wolf. Die Frau
dachte, alle guten Putzfrauen würden gut bezahlt und sollten gut bezahlt werden.
    Sie hieß Jillsy Sloper, und John
Wolf stellte verwundert fest, dass es im New Yorker Telefonbuch keinen einzigen
Sloper gab, bei dem auch nur der erste Vorname mit einem J anfing. Offenbar
machte sich Jillsy ebenso wenig aus Telefongesprächen wie aus Büchern. John
Wolf machte sich eine Notiz: Er wollte sich am Montagmorgen als Erstes bei [621]  Jillsy
entschuldigen. Den Rest des freudlosen Wochenendes versuchte er, sich genau zu
überlegen, wie er T.S. Garp erklären würde, dass es seiner festen Überzeugung
nach in seinem, Garps, Interesse und ganz gewiss im Interesse des Verlags war, Bensenhaver und wie er die Welt sah NICHT zu veröffentlichen.
    Es war ein schweres Wochenende
für ihn, denn John Wolf mochte Garp, und er glaubte an Garp, außerdem wusste
er, dass Garp keine Freunde hatte, die ihn davon abhalten konnten, sich das
Leben schwerzumachen – was zu den wichtigen Dingen gehört, für die Freunde da
sind. Er hatte nur Alice Fletcher, die Garp so sehr anbetete, dass sie wahllos
alles anbeten würde, was Garp von sich gab – oder sie würde einfach stumm
bleiben. Und er hatte Roberta Muldoon, bei deren literarischem Urteil Wolf den
Verdacht hatte, es sei (sofern überhaupt vorhanden) noch unausgegorener und
unerprobter als ihr neues Geschlecht. Und Helen wollte es nicht lesen. Und
Jenny Fields, das wusste John Wolf, war ihrem Sohn gegenüber nicht auf die
Weise voreingenommen, wie Mütter normalerweise voreingenommen sind: Sie hatte
den zweifelhaften Geschmack bewiesen, einige der besseren Sachen, die ihr Sohn
geschrieben hatte, nicht zu mögen. Das Problem bei
Jenny, das wusste John Wolf, war das Thema. Ein Buch über ein wichtiges Thema
war für Jenny Fields ein wichtiges Buch. Und Jenny Fields fand, dass Garps
neues Buch nur von den albernen Ängsten der Männer handelte, die die Frauen
hinnehmen und ertragen mussten. Wie ein Buch
geschrieben war, spielte für Jenny keine Rolle.
    Das war ein Aspekt, der John Wolf
in Bezug auf die [622]  Veröffentlichung des Buches interessierte. Wenn Jenny
Fields Bensenhaver und wie er die Welt sah mochte,
war es zumindest ein potentiell umstrittenes Buch. Aber John Wolf wusste
genauso gut wie Garp, dass Jennys Status als Persönlichkeit des politischen
Lebens großenteils auf einem allgemeinen, nebulösen Missverständnis beruhte.
    Wolf dachte und dachte das ganze
Wochenende darüber nach, und er vergaß völlig, sich am Montagmorgen als Erstes
bei Jillsy Sloper zu entschuldigen. Plötzlich stand Jillsy, mit geröteten Augen
und zuckend wie ein Eichhörnchen da, die mitgenommenen Manuskriptseiten in
ihren schwieligen braunen Händen.
    »Gott«, sagte Jillsy. Sie
verdrehte die Augen, sie schüttelte das Manuskript in den Händen.
    »O Jillsy«, sagte John Wolf. »Es
tut mir so leid.«
    »Gott!«, krächzte Jillsy. »So ein
schreckliches Wochenende hatte ich noch nie. Ich habe nicht geschlafen, ich habe nicht gegessen, ich bin nicht zum Friedhof gegangen, um meine Familie und meine
Freundinnen zu besuchen.«
    Jillsy Slopers Wochenendprogramm
kam John Wolf eigenartig vor, aber er sagte nichts; er hörte ihr einfach zu,
wie er ihr über ein Dutzend Jahre zugehört hatte.
    »Dieser Mann ist verrückt «, sagte Jillsy. »Kein normaler Mensch würde je so
ein Buch schreiben.«
    »Ich hätte es Ihnen nicht geben
sollen, Jillsy«, sagte John Wolf. »Ich hätte an das erste Kapitel denken
sollen.«
    »Das erste ist gar nicht so schlimm«, sagte Jillsy. »Das erste Kapitel ist gar nichts. Es ist das neunzehnte Kapitel – das hat mich umgehauen«, sagte Jillsy. »Gott, Gott!«, krächzte sie.
    [623]  »Sie haben neunzehn Kapitel
gelesen?«, fragte John Wolf.
    »Sie haben mir doch nur neunzehn
Kapitel gegeben«, sagte Jillsy. »Jesus, Gott, gibt es noch ein Kapitel? Muss ich noch mehr lesen?«
    »Nein, nein«, sagte John Wolf.
»Das ist alles. Mehr gibt es nicht.«
    »Das will ich hoffen«, sagte
Jillsy. »Es gibt auch nichts mehr, womit es weitergehen kann. Der verrückte alte Bulle ist da, wo er hingehört – endlich –, und
der verrückte Ehemann hat eine Kugel in den Schädel gekriegt. Das ist das einzig Richtige für den Schädel von diesem Kerl, wenn Sie
mich fragen: eine Kugel.«
    »Sie haben es gelesen ?«, sagte John Wolf.
    »Gott!«, kreischte Jillsy. »Man
sollte meinen, er wäre vergewaltigt worden, so wie er
sich aufführt. Wenn Sie mich

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