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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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für Garp. Garp hatte zum Frühstück einen, der ihm gefiel,
angezogen und die Hosenbeine aufgekrempelt.
    »Sie haben ja unglaublich viele
Anzüge«, sagte er zu John Wolf.
    »Nehmen Sie sich einen«, sagte
John Wolf. »Nehmen Sie sich zwei oder drei. Nehmen Sie sich den, den Sie
anhaben.«
    »Er ist zu lang. Garp hielt den
einen Fuß hoch.
    [648]  »Lassen Sie ihn kürzen«, sagte
John Wolf.
    »Du hast überhaupt keine Anzüge«, sagte Helen zu Garp.
    Garp gefiel der Anzug so gut,
dass er ihn auf dem Flug tragen wollte, mit hochgesteckten Hosenbeinen.
    »Du lieber Himmel«, sagte Helen.
    »Es ist mir ein bisschen
peinlich, mit Ihnen gesehen zu werden«, gestand John Wolf, aber er fuhr sie
trotzdem zum Flughafen. Er wollte sich vergewissern, dass die Garps das Land
verließen.
    »Oh, Ihr Buch«, sagte er im Auto
zu Garp. »Ich vergesse dauernd, Ihnen ein Exemplar zu geben.«
    »Das habe ich gemerkt«, sagte
Garp.
    »Ich werde Ihnen eines schicken«,
sagte John Wolf.
    »Ich habe nicht einmal gesehen,
was auf den Schutzumschlag kommt«, sagte Garp.
    »Hinten ist ein Foto von Ihnen
drauf«, sagte John Wolf. »Es ist ein älteres – Sie kennen es bestimmt.«
    »Und was ist vorn drauf?«, sagte
Garp.
    »Na ja, der Titel«, sagte John
Wolf.
    »Ach, wirklich?«, sagte Garp.
»Ich dachte schon, Sie hätten vielleicht beschlossen, den Titel wegzulassen.«
    »Nur der Titel«, sagte John Wolf.
»Über einer Art Foto.«
    »Einer Art Foto«, sagte Garp.
»Über was für einer Art Foto?«
    »Vielleicht hab ich einen
Umschlag in meiner Aktentasche«, sagte Wolf. »Ich schaue gleich nach, auf dem
Flughafen.«
    Wolf war vorsichtig; er hatte
bereits zugegeben, dass Bensenhaver und wie er die Welt sah in seinen Augen eine [649]  »nicht jugendfreie Schnulze« war. Es hatte Garp
anscheinend nichts ausgemacht. »Verstehen Sie mich recht, es ist schrecklich
gut geschrieben«, hatte Wolf gesagt, »aber irgendwie ist es trotzdem eine
Schnulze; es ist irgendwie zu viel .« Garp hatte
geseufzt. »Das Leben «, hatte Garp gesagt, »ist
irgendwie zu viel. Das Leben ist eine ›nicht jugendfreie Schnulze‹, John«,
hatte Garp gesagt.
    In John Wolfs Aktentasche lag die
vordere Schutzumschlagseite von Bensenhaver und wie er die
Welt sah , ohne die Rückseite mit dem Foto von Garp und natürlich ohne
die Umschlagklappen. John Wolf hatte vor, Garp diesen Ausschnitt kurz vor dem
Abschied zu geben. Er hatte ihn in einem verschlossenen Briefumschlag, der in
einem zweiten verschlossenen Umschlag steckte. John Wolf war sich ziemlich
sicher, dass Garp erst im Flugzeug dazu kommen würde, das Ding auszupacken und
anzuschauen.
    Sobald Garp in Europa war, würde
John Wolf ihm den Rest des Schutzumschlags von Bensenhaver
und wie er die Welt sah schicken. Wolf war sich ganz sicher, dass Garp
nicht wütend genug sein würde, um nach Hause zu fliegen.
    »Das hier ist größer als das
andere Flugzeug«, sagte Duncan, der an einem Fenster auf der linken Seite saß,
ein kleines Stück vor der Tragfläche.
    »Es muss größer sein, weil es
über den ganzen Atlantik fliegt«, sagte Garp, der neben ihm saß.
    »Erwähn das bitte nicht noch
einmal«, sagte Helen. Jenseits des Mittelgangs knotete eine Stewardess eine
interessante Schlinge für die kleine Jenny, die wie ein fremdes [650]  Baby oder
ein Indianerkind an der Rücklehne des Sitzes vor Helen baumelte.
    »John Wolf hat gesagt, dass du
reich und berühmt wirst«, sagte Duncan zu seinem Vater.
    »Hm«, sagte Garp. Er war gerade
dabei, die Briefumschläge zu öffnen, die John Wolf ihm mitgegeben hatte; es
dauerte entsetzlich lang.
    »Stimmt das?«, fragte Duncan.
    »Ich hoffe es«, sagte Garp. Schließlich blickte er auf die vordere Umschlagseite von Bensenhaver und wie er die Welt sah. Er konnte nicht
sagen, ob es die plötzliche scheinbare Schwerelosigkeit des großen abhebenden
Flugzeugs war, was ihn so erschauern ließ – oder ob es das Foto war.
    Es war eine
Schwarzweißvergrößerung, ein körniges Bild, wie in dichtem Schneetreiben
aufgenommen, von einem Krankenwagen, der vor einem Krankenhaus entladen wurde.
Die dumpfe Resignation in den grauen Gesichtern der Pfleger drückte die
Tatsache aus, dass kein Grund zur Eile bestand. Die Gestalt unter dem Laken war
klein und ganz zugedeckt. Das Foto hatte etwas von der hektischen schrecklichen
Atmosphäre der Notaufnahme eines beliebigen Krankenhauses. Es war irgendein Krankenhaus und irgendein Krankenwagen – und
irgendein kleiner Körper, der zu spät

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