Garp und wie er die Welt sah
schlief während der
ganzen Geschichte tief und fest, aber selbst sie klatschte am Ende: Sie wachte
vom Applaus auf und beteiligte sich fröhlich.
Das Ereignis schien Garp förmlich
aufzuladen. Duncan war bei der Lesung gewesen – es war das Werk seines Vaters,
das er am meisten liebte (übrigens eine der wenigen Sachen seines Vaters, die
Duncan hatte lesen dürfen). Duncan, ein begabter junger Künstler, hatte schon über
fünfzig Zeichnungen von den Gestalten und Situationen der Geschichte seines
Vaters angefertigt, die er Garp zeigte, nachdem Garp mit ihm nach Hause
gefahren war. Einige der Zeichnungen waren frisch und unprätentiös; alle waren
für Garp aufregend. Die schlaffen Flanken des alten Bären, die über das
verrückte Einrad hingen; die Streichholzknöchel der Großmutter, die zart und
zerbrechlich unter der WC -Tür schimmerten. Das böse Unheil in
den flammenden [774] Augen des Mannes mit den Träumen! Die nuttenhafte Schönheit
von Herrn Theobalds Schwester (»…als wären ihr Leben und ihre Gefährten ihr niemals exotisch vorgekommen – sondern nur Teil einer
Inszenierung für die absurde und zum Scheitern verurteilte Bemühung um
Neuklassifizierung gewesen«). Und der tapfere Optimismus des Mannes, der nur
auf den Händen gehen konnte.
»Seit wann machst du das schon?«,
fragte Garp Duncan; er hätte weinen können, so stolz war er.
Es erfüllte ihn mit neuer
Energie. Er schlug John Wolf vor, eine Sonderausgabe herauszubringen, eine Buch ausgabe der Pension Grillparzer, mit Illustrationen von Duncan. »Die Geschichte ist gut genug, um in Buchform zu
bestehen«, schrieb er an John Wolf. »Und ich bin bestimmt bekannt genug, dass
sie auch verkauft wird. Außer in einer kleinen Zeitschrift und ein oder zwei
Anthologien ist sie bisher nie richtig veröffentlicht worden. Außerdem sind die
Illustrationen göttlich! Und die Geschichte trägt wirklich.
Ich hasse es, wenn ein
Schriftsteller anfängt, seinen Ruf zu Geld zu machen – indem er jeden Mist aus seinen
Schubladen veröffentlicht und jeden alten Mist, der am besten vergessen werden
sollte, wieder veröffentlicht. Aber hier handelt es
sich nicht um einen solchen Fall, John; Sie wissen es.«
John Wolf wusste es tatsächlich.
Er fand, dass Duncans Zeichnungen frisch und unprätentiös waren, aber nicht wirklich sehr gut; der Junge war noch keine dreizehn –
ganz gleich, wie begabt er war. Aber John Wolf erkannte auch eine gute
verlegerische Idee, wenn er sie sah. Um sicherzugehen, unterzog er das Buch
natürlich dem Jillsy- [775] Sloper-Geheimtest; Garps Geschichte und besonders
Duncans Zeichnungen bestanden Jillsys Prüfung mit dem höchsten Lob. Ihre
einzigen Vorbehalte gingen dahin, dass Garp zu viele Wörter benutzte, die sie
nicht kannte.
Ein Vater-und-Sohn-Buch, dachte
John Wolf, das würde ein hübsches Weihnachtsgeschenk abgeben. Und die traurige
Zartheit der Geschichte, ihr tief empfundenes Mitleid und der Einschlag von
sanfter Gewalt würden vielleicht die kriegerische Spannung zwischen Garp und
den Ellen-Jamesianerinnen entkrampfen.
Die Leistenverletzung heilte, und
Garp lief den ganzen Sommer lang die Straße von Steering zum Meer, nie ohne den
nachdenklichen Angus-Rindern zuzunicken; sie hatten jetzt die Sicherheit jener
segensreichen Steinmauer gemeinsam, und Garp fühlte sich auf immer solidarisch
mit diesen großen glücklichen Tieren. Frohgemut weidend und frohgemut
heranwachsend. Und, eines Tages, ein schnelles, blutiges Ende. Garp dachte
nicht an ihr blutiges Ende. Auch nicht an seines. Er nahm sich vor Autos in
Acht, aber nicht übermäßig.
»Eine Einzeltat«, sagte er zu
Helen, Roberta und Ellen James. Sie nickten, aber Roberta begleitete ihn beim
Laufen, sooft sie konnte. Helen dachte, ihr würde wohler werden, wenn es
draußen wieder kalt wurde und Garp auf der Hallenbahn in der Miles-Seabrook-Turnhalle
lief. Oder wenn er wieder anfing zu ringen und überhaupt nur noch selten nach
draußen ging. Die warmen Matten und der ausgepolsterte Raum waren ein
Sicherheitssymbol für Helen Holm, die in einem solchen Brutkasten
herangewachsen war.
[776] Auch Garp freute sich auf die
nächste Ringersaison. Und auf die Vater-und-Sohn-Veröffentlichung: Die Pension Grillparzer . Eine Erzählung von T.S. Garp mit
Illustrationen von Duncan Garp. Endlich ein Garp-Buch für Kinder und Erwachsene! Es war natürlich auch wie ein Neubeginn.
Zum Anfang zurückgehen und noch einmal aufbrechen. Was für eine Welt von
Illusionen
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