Garp und wie er die Welt sah
doch mit der Vorstellung von einem »Neubeginn« erblüht!
Plötzlich fing Garp wieder an zu
schreiben.
Er fing an, indem er einen Brief
an die Zeitschrift schrieb, die seinen Angriff auf die Ellen-Jamesianerinnen
veröffentlicht hatte. In dem Brief entschuldigte er sich für die Heftigkeit und
Selbstgerechtigkeit seiner Anmerkungen. »Ich glaube zwar wirklich, dass Ellen
James von diesen Frauen, die kaum an die Ellen James des wirklichen Lebens
dachten, benutzt wurde, aber ich sehe ein, dass ihr Bedürfnis, Ellen James zu benutzen, in gewisser Beziehung echt und groß
war. Ich fühle mich natürlich wenigstens teilweise verantwortlich für den Tod
jener sehr bedürftigen und gewalttätigen Frau, die sich so provoziert fühlte,
dass sie versuchte, mich zu töten. Es tut mir leid.«
Natürlich haben wahre Gläubige –
oder Leute, die an das reine Gute oder das reine Böse glauben – nur selten ein Ohr für
Entschuldigungen. Die Ellen-Jamesianerinnen, die schwarz auf weiß antworteten,
meinten alle, dass Garp offenbar Angst um sein eigenes Leben habe; sie meinten,
er fürchte offenbar, dass die Ellen-Jamesianerinnen eine endlose Reihe von
Auftragskillern (vielmehr »Killer/inne/n«) auf ihn ansetzten, bis sie ihn
erwischten. Sie sagten, T.S. Garp sei nicht nur ein männliches Schwein und ein [777] Frauenunterdrücker,
sondern eindeutig auch ein »mieser Scheißfeigling ohne Eier«.
Falls Garp diese Antworten zu
Gesicht bekam, schien er sich nichts daraus zu machen; wahrscheinlich las er
sie aber nie. Er entschuldigte sich vor allem um des Schreibens willen; es war ein Akt, mit dem er Ordnung auf seinem
Schreibtisch, nicht in seinem Gewissen, schaffen wollte; er wollte seinen Geist
befreien von all den Banalitäten, dem Gärtnern und Basteln von Bücherregalen,
die seine Zeit ausgefüllt hatten, während er darauf wartete, wieder ernsthaft
zu schreiben. Er dachte, er würde Frieden mit den Ellen-Jamesianerinnen
schließen und sie dann vergessen, obwohl Helen sie nicht vergessen konnte. Ellen James konnte sie sicher auch nicht vergessen, und
selbst Roberta war jedes Mal, wenn sie mit Garp draußen war, wachsam und auf
dem Sprung.
Ungefähr anderthalb Kilometer
hinter der Rinderfarm, an einem herrlichen Tag, als sie zum Meer liefen, war
Roberta plötzlich überzeugt, dass der näher kommende VW den nächsten potentiellen Meuchelmörder barg; sie machte einen großartigen
Hechtsprung nach Garp, um einen Treffer zu verhüten, und warf ihn vom
unbefestigten Seitenstreifen eine vier Meter hohe Böschung hinab in einen
schlammigen Graben. Garp verstauchte sich einen Knöchel und brüllte Roberta aus
dem Wasser an. Roberta nahm einen großen Stein und bedrohte damit den VW , der voller verängstigter Teenager war, die von
einer Party am Strand zurückkehrten; Roberta überredete sie, Platz für Garp zu
machen, und sie fuhren ihn zur Jenny-Fields-Krankenstation.
[778] »Du bist gemeingefährlich !«, erklärte Garp Roberta, aber Helen war äußerst
dankbar für Robertas Anwesenheit – wegen ihres Linksaußeninstinkts für Manöver
aus dem Hinterhalt und üble Tricks.
Der verstauchte Knöchel hielt
Garp zwei Wochen von der Straße fern und kam seinem Schreiben zugute. Er
arbeitete an einer Sache, die er sein »Vaterbuch« oder »das Buch der Väter«
nannte; es war das erste von den drei Projekten, die er John Wolf am Vorabend
seiner Reise nach Europa so unbeschwert erläutert hatte – der Roman, der Meines Vaters Illusionen heißen sollte. Da er sich einen
Vater ausdachte, spürte Garp wieder stärker die Nähe zur reinen Phantasie, die
seiner Meinung nach Die Pension Grillparzer gezeugt
hatte. Ein langer Weg, von dem er abgekommen war. Er hatte sich sehr von dem
ablenken lassen, was er jetzt die »bloßen Unglücksfälle und Katastrophen des
täglichen Lebens und die daraus resultierenden verständlichen Traumata« nannte.
Er fühlte sich wieder putzmunter, als könnte er alles erfinden.
»Mein Vater wollte, dass wir alle
ein besseres Leben hätten«, begann Garp, »aber besser als was – da war er sich nicht so sicher. Ich glaube nicht, dass er wusste,
was das Leben war; nur dass es besser sein sollte.«
Wie in der Pension
Grillparzer erfand er wieder eine Familie; er gab sich Brüder und
Schwestern und Tanten – einen verschrobenen und einen bösen Onkel –, und er
fühlte, dass er wieder Romancier war. Zu seiner Freude verdichtete sich eine
Handlung.
Abends las er Ellen James und
Helen laut vor;
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