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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dass
die Regimentsstreifenkrawatte in den Farben der Steering School – »Blut und
Blau« nannte Garp sie immer – in die Höhe flog.
    Stewart Percy, den seine Frau
Stewie rief – während eine Generation von Steering-Schülern ihn Dickwanst
nannte –, hatte einen platten Kopf mit Haaren so silbern wie die Tapferkeitsmedaille.
Die Jungen sagten, dass Stewarts platter Kopf an einen Flugzeugträger erinnern
sollte, weil Stewart im Zweiten Weltkrieg bei der Navy gewesen war. Sein
Beitrag zum Lehrplan der Steering School bestand aus einem einzigen Kurs, den
er fünfzehn Jahre lang gab – bis die Geschichtslehrer den Mumm und die nötige
Respektlosigkeit aufbrachten, ihm den Unterricht zu untersagen. Fünfzehn Jahre
lang war der Kurs eine Peinlichkeit für alle. Nur die ahnungslosesten Anfänger
fielen überhaupt darauf herein, ihn zu belegen. Er hieß »Mein Teil vom
Pazifik«. Behandelt wurden nur die Seeschlachten des Zweiten Weltkrieges, bei
denen Stewart Percy persönlich mitgekämpft hatte. Es waren zwei gewesen. Es gab
keine Lehrbücher für den Kurs; es gab nur Stewarts Vorlesungen und Stewarts
persönliche Dia-Sammlung. Die Dias waren nach alten Schwarzweißfotos
angefertigt worden – ein Verfahren, das [83]  ihnen eine interessante
Verschwommenheit verlieh. Mindestens eine denkwürdige Kurswoche mit Dias betraf
Stewarts Landurlaub auf Hawaii, wo er seine Frau Midge kennengelernt und
geheiratet hatte.
    »Merkt euch, Jungs, sie war keine
Eingeborene«, pflegte er der Klasse einzuschärfen (obwohl man auf dem grauen
Dia kaum erkennen konnte, was sie war). »Sie war nur
zu Besuch dort, sie kam nicht von dort«, pflegte Stewart zu sagen. Und dann folgten endlos viele Dias
von Midges graublonden Haaren.
    Die Kinder der Percys waren
ebenfalls allesamt blond, und man musste annehmen, dass auch sie eines Tages so
silbern sein würden wie die Tapferkeitsmedaille – genau wie Stewie, den die
Schüler zu Garps Zeiten nach einem Gericht nannten, das ihnen mindestens einmal
in der Woche vorgesetzt wurde: Fat Stew. Fat Stew wurde aus einem anderen
allwöchentlichen Gericht zubereitet: Mystery Meat. Aber Jenny Fields pflegte zu
sagen, dass Stewart Percy gänzlich aus Haaren so silbern wie die
Tapferkeitsmedaille bestand.
    Und ob sie ihn nun Fettwanst oder
Fat Stew nannten, die Jungen, die Stewart Percys Kurs »Mein Teil vom Pazifik«
belegten, hätten eigentlich schon wissen müssen, dass Midge keine eingeborene
Hawaiianerin war, obwohl man es manchen tatsächlich noch sagen musste. Was die
aufgeweckteren Jungen wussten und was alle Leute an der Steering School
praktisch von Geburt an wussten – und hinfort ihrer stummen Verachtung
überließen –, war der Umstand, dass Stewart Percy ausgerechnet Midge Steering geheiratet hatte. Sie war die letzte Steering.
Die unbegehrte Prinzessin [84]  der Steering School – kein Schulleiter war ihr
bisher über den Weg gelaufen. Stewart Percy heiratete in so viel Geld hinein,
dass er gar nichts tun zu können brauchte – außer
verheiratet zu bleiben.
    Wenn Jenny Fields’ Vater, der
Schuhkönig, an Midge Steerings Geld dachte, zog es ihm die Schuhe aus.
    »Midge war verrückt genug«,
schrieb Jenny Fields in ihrer Autobiographie, »um im Zweiten Weltkrieg Ferien auf Hawaii zu machen. Und sie war so total verrückt«, schrieb Jenny, »dass sie sich tatsächlich
in Stewart Percy verliebte und fast unverzüglich anfing, ihm seine farblosen
Tapferkeitsmedaillenkinder zu gebären – noch ehe der Krieg vorbei war. Und als
der Krieg dann vorbei war, kehrte sie mit ihm und ihrer wachsenden Familie zur
Steering School zurück. Und sie befahl der Schulverwaltung, ihrem Stewie einen
Job zu geben.«
    »Als ich noch ein kleiner Junge
war«, schrieb Garp, »gab es schon drei oder vier kleine Percys, und weitere –
und anscheinend immer noch mehr – waren unterwegs.«
    Wegen der vielen
Schwangerschaften von Midge Percy dachte sich Jenny Fields boshafte Reime aus.
    Was liegt in Midge Percys Bauch,
    so rund und so aufreizend hell?
    Es ist, wenn medaillensilbrig auch,
    nichts als ein haariges Knäuel.
    »Meine Mutter war eine
schlechte Schriftstellerin«, schrieb Garp über Jennys Autobiographie. »Aber sie
war eine noch schlechtere Lyrikerin.« Als Garp fünf war, bekam er solche [85]  Gedichte
allerdings noch nicht zu hören. Und warum war Jenny Fields so ungnädig
gegenüber Stewart und Midge?
    Jenny wusste, dass Fat Stew auf
sie herabsah. Aber Jenny sagte nichts, sie blieb lediglich

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