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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Garp,
aber nicht laut genug, um gehört zu werden.
    »Es war also Garp?«, sagte Fat
Stew. Er beugte sich vor, um den Squash-Schläger wieder in den Wandschrank zu
stellen, und furzte. Midge sah ihn an. »Bonkie hat Garp also gebissen«, sagte
Stewart sinnend. »Immerhin hat der Hund einen guten Geschmack, nicht wahr?«
    »O Stewie«, sagte Midge und
lachte glucksend auf. »Garp ist doch noch ein kleiner Junge.« Und da stand er,
kurz vor einer Ohnmacht und auf den kostbaren Teppich im Flur blutend, der sich
naht- und faltenlos durch vier der riesigen Räume im Erdgeschoss zog.
    [91]  Cushie Percy, deren junges
Leben im Kindbett enden sollte, als sie versuchte, ein Kind zur Welt zu
bringen, das ihr erstes geworden wäre, sah Garp auf das Familienerbstück
bluten: den beachtlichen Teppich. »Oh, wie eklig!«, schrie sie und rannte zur
Tür hinaus.
    »Oh, ich werde wohl deine Mutter
anrufen müssen«, sagte Midge zu Garp, der ganz benommen war, weil er das
Knurren und den Geifer des großen Hundes immer noch in seinem Restohr hatte.
    Jahrelang sollte Garp Cushie
Percys Aufschrei »Oh, wie eklig!« falsch deuten. Er dachte, sie hätte nicht sein angebissenes blutiges Ohr, sondern die große
graue, den ganzen Flur ausfüllende Nacktheit ihres Vaters gemeint. Das war das Eklige für Garp: der silberne, heldenbäuchige
Navy-Mann, der von der imposanten geschwungenen Treppe der Percys nackt auf ihn
zukam.
    Stewart Percy kniete vor Garp
nieder und blickte neugierig in das blutige Gesicht des Jungen. Aber Fat Stew
schien seine Aufmerksamkeit nicht auf das zerbissene Ohr zu richten, und Garp
fragte sich, ob er dem riesigen nackten Mann die näheren Umstände seiner
Verletzung schildern sollte. Aber Stewart Percy betrachtete nicht die Stelle,
wo Garp verletzt war. Er betrachtete Garps glänzende braune Augen, ihre Farbe
und ihre Form, und er schien sich von etwas zu überzeugen, denn nun nickte er
streng und sagte zu seiner dümmlichen blonden Midge: »Japs.«
    Auch das sollte Garp erst Jahre
später richtig begreifen. Aber Stewie Percy sagte zu Midge: »Ich war lange
genug im Pazifik, um japanische Augen zu erkennen, wenn ich welche sehe. Ich
habe dir doch gesagt, es war ein Japs.« Das [92]  es, von dem Stewart Percy sprach, war Garps Vater oder
wen er dafür hielt. Es war ein beliebtes Ratespiel an der Steering School, sich
zu fragen, wer wohl Garps Vater war. Und Stewart Percy war aufgrund seiner
Erfahrungen in seinem Teil vom Pazifik zu dem Schluss gekommen, dass Garps
Vater ein Japaner war.
    »Damals dachte ich«, schrieb
Garp, »das Wort ›Japs‹ bedeute, dass mein ganzes Ohr kaputt ist.«
    »Es hat keinen Sinn, seine Mutter
anzurufen«, sagte Stewie zu Midge. »Bring ihn gleich zur Krankenstation rüber.
Sie ist doch Krankenschwester, oder? Sie wird schon
wissen, was zu tun ist.«
    Jenny wusste es in der Tat.
»Warum bringen Sie den Hund nicht auch her?«, fragte sie Midge, während sie
behutsam um das, was von Garps kleinem Ohr übrig war, herumwusch.
    »Bonkers?«, fragte Midge.
    »Bringen
Sie ihn her«, sagte Jenny. »Ich gebe ihm eine Spritze.«
    »Eine Injektion?«, fragte Midge.
Sie lachte. »Meinen Sie, es gibt eine Spritze, damit
er keine Leute mehr beißt?«
    »Nein«, sagte Jenny. »Ich meine,
Sie könnten das Geld sparen – statt ihn zum Tierarzt zu bringen. Ich meine, es
gibt eine Spritze, damit er stirbt. So eine
Injektion. Dann wird er keine Leute mehr beißen.«
    »So«, schrieb Garp, »fing der
Krieg mit den Percys an. Für meine Mutter war es, glaube ich, ein Klassenkampf,
wie jeder Krieg, sagte sie später. Was mich betrifft, so wusste ich nur, dass
ich mich vor Bonkers in Acht nehmen musste. Und vor den übrigen Percys.«
    [93]  Stewart Percy schickte Jenny
Fields eine Hausmitteilung auf einem Bogen mit dem Briefkopf des Sekretärs der
Steering School: »Ich kann nicht glauben, dass Sie tatsächlich von uns
verlangen, Bonkers einschläfern zu lassen«, schrieb Stewart.
    »Sie können Ihren fetten Arsch
darauf wetten, dass ich das verlange«, sagte Jenny am Telefon zu ihm. »Oder
legen Sie ihn wenigstens für immer an die Leine.«
    »Es hat keinen Sinn, einen Hund
zu haben, wenn der Hund nicht frei rumlaufen kann«, sagte Stewart.
    »Dann geben Sie ihm eine
Spritze«, sagte Jenny.
    »Bonkers hat alle seine Spritzen
bekommen, trotzdem vielen Dank«, sagte Stewart. »Er ist wirklich ein lieber
Hund. Außer er wird provoziert.«
    »Offenbar«, schrieb Garp, »war
Fat Stew der Meinung, dass meine

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