Garp und wie er die Welt sah
Japsenhaftigkeit Bonkers provoziert hatte.«
»Was bedeutet ›guter
Geschmack‹?«, fragte der kleine Garp seine Mutter, während ihm Dr. Pell auf der
Krankenstation das Ohr zunähte. Jenny erinnerte den Arzt daran, dass Garp erst
kürzlich eine Tetanusspritze bekommen hatte.
»Guter Geschmack?«, fragte Jenny.
Wegen der merkwürdig aussehenden Ohramputation würde Garp sein Haar immer lang
tragen müssen – worüber er sich später oft beschwerte.
»Fat Stew hat gesagt, Bonkers hat
einen ›guten Geschmack‹«, sagte Garp.
»Weil er dich gebissen hat?«,
fragte Jenny.
»Ich
glaube, ja«, sagte Garp. »Was bedeutet das?«
Jenny wusste es natürlich. Aber
sie sagte: »Es bedeutet, [94] dass Bonkers gewusst haben muss, dass du von allen
Kindern am besten schmeckst.«
»Stimmt das?«, fragte Garp.
»Ja sicher«, sagte Jenny.
»Woher wusste Bonkers das?«,
fragte Garp.
»Das weiß ich nicht«, sagte
Jenny.
»Was bedeutet ›Japs‹?«, fragte
Garp.
»Hat Fat Stew das zu dir
gesagt?«, fragte ihn Jenny.
»Nein«,
sagte Garp. »Ich glaube, das hat er zu meinem Ohr gesagt.«
»Oh, ja, dein Ohr«, sagte Jenny.
»Es bedeutet, dass du besondere Ohren hast.« Aber sie fragte sich, ob sie ihm
jetzt erzählen sollte, was sie von den Percys hielt, oder ob er ihr ähnlich
genug war, um die Empfindung des Zorns zu einem späteren, wichtigeren Zeitpunkt
nutzen zu können. Vielleicht, dachte sie, sollte ich diesen Brocken für ihn
aufheben – für einen Augenblick, wenn er ihn gebrauchen kann. Im Geiste sah Jenny Fields immer mehr und immer größere Schlachten auf
sich zukommen.
»Meine Mutter schien einen Feind
zu brauchen«, schrieb Garp. »Ob real oder eingebildet, der Feind meiner Mutter
half ihr zu erkennen, wie sie sich verhalten sollte
und wie sie mich erziehen sollte. Sie war kein Naturtalent als Mutter; ich
glaube sogar, meine Mutter bezweifelte, dass sich irgendetwas natürlich ergab. Sie tat alles, bis zuletzt, bewusst und mit
Bedacht.«
So wurde die Welt, wie Fat Stew
sie sah, in Garps frühen Jahren zu Jennys Feind. Man könnte diese Phase als
»Garps Vorbereitung auf die Steering School« bezeichnen.
Jenny beobachtete, wie sein Haar
wuchs und die [95] fehlenden Teile seines Ohrs bedeckte. Sie staunte über sein
gutes Aussehen, denn gutes Aussehen hatte bei ihrer Beziehung mit Technical
Sergeant Garp keine Rolle gespielt. Ob der Sergeant gutaussehend war, hatte
Jenny Fields nicht wirklich erkannt. Aber der kleine Garp sah gut aus, das
konnte sie sehen, obwohl er klein blieb – als sei er geboren, um in den
Kugelturm hineinzupassen.
Die Kinder (die auf den Fußwegen
und Rasenvierecken und Sportplätzen der Steering School herumrannten) wurden
linkischer und befangener, während Jenny sie heranwachsen sah. Clarence DuGard
brauchte bald eine Brille, die er immer wieder zerbrach; im Laufe der Jahre
sollte Jenny ihn viele Male wegen seiner Ohrentzündungen und einmal wegen eines
gebrochenen Nasenbeins behandeln. Talbot Mayer-Jones fing plötzlich an zu
lispeln; er hatte einen flaschenförmigen Körper, aber eine liebenswürdige Art
und litt unter chronischer Sinusitis. Emily Hamilton wurde so groß, dass sie
dauernd stolperte und hinfiel und ständig aufgeschlagene Knie und Ellbogen
hatte; die Art, wie ihre kleinen Brüste sich bemerkbar machten, ließ Jenny
zusammenzucken – und weckte manchmal in ihr den Wunsch, eine Tochter zu haben.
Ira und Buddy Grove, die Jungen »aus dem Ort«, hatten dicke Knöchel und
Handgelenke und Hälse und ständig verschmierte und gequetschte Finger, weil sie
dauernd in der Werkstatt ihres Vaters herumtollten. Und groß wurden auch die
Kinder der Percys, blond und von metallisch glänzender Sauberkeit, die Augen
von der Farbe des stumpfen Eises auf dem brackigen Steering River, der durch
die salzige Marsch zum nahen Meer sickerte.
[96] Stewart jr., der Stewie Zwei
genannt wurde, machte seine Abschlussprüfung an der Steering School, noch bevor
Garp das Alter erreicht hatte, um dort anzufangen; Jenny behandelte ihn zweimal
wegen eines verstauchten Knöchels und einmal wegen einer Gonorrhö. Er brachte
später die Harvard Business School, eine Staphylokokkeninfektion und eine
Scheidung hinter sich.
Randolph Percy wurde Dopey
genannt, bis er starb (an einem Herzinfarkt mit fünfunddreißig – ein
»Deckhengst« ganz nach dem Geschmack seines fetten Vaters und selber Vater von
fünf Kindern). Dopey schaffte die Abschlussprüfung an der Steering School
nicht, ging
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