Garp und wie er die Welt sah
war, während er auf seinen Händen stand.
[241] »Setzen Sie sich bitte«,
sagte Mutter.
»Es ist völlig in Ordnung,
wenn einer ein Krüppel ist«, sagte Großmutter unverblümt. »Aber Sie sind böse«, erklärte sie dem Traummann. »Sie wissen
Dinge, die zu wissen Sie nicht das Recht haben. Er kannte meinen Traum «, erklärte sie Herrn Theobald, als hätte sie ihm
einen Diebstahl aus ihrem Zimmer zu melden.
»Ich weiß, er ist ein bisschen böse«, gab Herr Theobald zu. »Aber das ist nicht
seine Natur! Und in letzter Zeit kommt es immer seltener vor. Er kann nichts
dafür, dass er weiß, was er weiß.«
»Ich habe nur versucht,
Ihnen etwas klarzumachen«, sagte der Mann mit den Träumen, zu Großmutter gewandt.
»Ich dachte, es würde Ihnen guttun. Ihr Mann ist schließlich schon eine ganze
Weile tot, und es ist an der Zeit, dass Sie aufhören, diesem Traum so viel
Bedeutung beizumessen. So viel aus diesem Traum zu machen. Sie sind nicht der
einzige Mensch, der einen solchen Traum gehabt hat.«
»Hören Sie auf«, sagte
Großmutter.
»Sie sollten das aber
wissen«, sagte der Mann mit den Träumen.
»Schluss, seien Sie ruhig,
bitte«, sagte Herr Theobald zu ihm.
»Ich bin vom
Fremdenverkehrsamt«, verkündete Vater, wahrscheinlich weil ihm nichts anderes
einfiel.
»O mein Gott, so ein Mist!«,
sagte Herr Theobald.
»Es ist nicht Theobalds
Schuld«, sagte der Sänger. »Es ist unsere Schuld. Er
ist so nett, uns aufzunehmen, obwohl es ihn seinen guten Ruf kostet.«
[242] »Wissen Sie, sie haben
meine Schwester geheiratet«, erklärte Herr Theobald uns. »Sie gehören zur Familie, verstehen Sie? Was soll ich machen?«
»›Sie‹ haben Ihre Schwester
geheiratet?«, fragte Mutter.
»Nun, zuerst hat sie mich geheiratet«, sagte der Mann mit den Träumen.
»Und dann hörte sie mich singen!«, sagte der Sänger.
»Mit ihm ist sie nie verheiratet gewesen«, sagte Herr Theobald, und alle blickten
bedauernd auf den Mann, der nur auf seinen Händen gehen konnte.
Herr Theobald sagte: »Sie
sind früher im Zirkus aufgetreten, aber die Politik hat sie in Schwierigkeiten
gebracht.«
»Wir waren die Besten in
Ungarn«, sagte der Sänger. »Haben Sie mal etwas vom Zirkus Szolnok gehört?«
»Nein, leider nicht«, sagte
mein Vater, und es klang, als bedauerte er es tatsächlich.
»Wir sind in Miskolc, in
Szeged, in Debrecen aufgetreten«, sagte der Mann mit den Träumen.
»InSzeged zweimal «, sagte der Sänger.
»Wir hätten es bis nach
Budapest geschafft, wenn die Russen nicht gewesen wären«, sagte der Mann, der
auf seinen Händen ging.
»Ja – die Russen waren es,
die ihm die Schienbeine herausgenommen haben!«, sagte der Mann mit den Träumen.
»Bleib bei der Wahrheit«,
sagte der Sänger. »Er ist ohne Schienbeine geboren. Aber es stimmt, dass wir mit den Russen nicht klargekommen sind.«
[243] »Sie wollten den Bären
ins Gefängnis sperren«, sagte der Mann mit den Träumen.
»Bleib bei der Wahrheit«,
sagte Herr Theobald.
»Wir haben seine Schwester
vor ihnen gerettet«, sagte der Mann, der auf seinen Händen ging.
»Also musste ich sie
natürlich aufnehmen«, sagte Herr Theobald, »und sie arbeiten so hart, wie sie
nur können. Aber wer interessiert sich in diesem Land schon für ihre
Kunststücke? Es ist eine ungarische Nummer. Bären auf Einrädern haben hier
keine Tradition «, erklärte uns Herr Theobald. »Und
die verdammten Träume bedeuten uns Wienern gar nichts.«
»Bleib bei der Wahrheit«,
sagte der Mann mit den Träumen. »Es liegt daran, dass ich die falschen Träume
erzählt habe. Wir haben in einem Nachtklub in der Kärntner Straße gearbeitet,
aber dann bekamen wir Auftrittsverbot.«
» Diesen Traum hättest du damals auf keinen Fall erzählen dürfen«, sagte der Sänger
feierlich.
»Dafür war deine Frau auch
verantwortlich!«, sagte der Mann mit den Träumen.
»Damals war sie deine Frau«, sagte der Sänger.
»Hört bitte auf«, flehte
Herr Theobald.
»Wir werden bei
Wohltätigkeitsbällen für Kinderkrankheiten auftreten«, sagte der Mann mit den
Träumen. »Und in einigen staatlichen Krankenhäusern – vor allem in der
Weihnachtszeit.«
»Aber ihr solltet etwas mehr
mit dem Bären machen«, empfahl ihnen Herr Theobald.
»Darüber musst du mit deiner
Schwester reden«, sagte [244] der Sänger. »Es ist ihr Bär – sie hat ihn abgerichtet, sie hat zugelassen, dass er faul und schmuddelig
wurde und lauter schlechte Gewohnheiten annahm.«
»Er ist der
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