Garten des Lebens
gern mal wiedersehen.”
“Hat sie zufällig gesagt, ob sie verheiratet ist?”
Vivian schüttelte den Kopf. “Davon hat sie nichts gesagt, aber ich denke, sie hätte es bestimmt erwähnt, wenn sie verheiratet wäre, meinst du nicht?”
Carolyn hatte kurz nach dem Studium geheiratet, doch die Ehe hatte nicht einmal ein Jahr gehalten. Soweit Susannah wusste, lebte Carolyn seitdem alleine. Vielleicht hatte die schmerzhafte Erfahrung einer Scheidung das Vertrauen ihrer Freundin in die Ehe zerstört.
“Ich erinnere mich an ihre Mutter”, murmelte Vivian und kniff die Lippen zusammen. “Sie hat immer so getan, als sei sie etwas Besseres als der Rest von uns.” Carolyns Mutter war eine sogenannte Kriegsbraut aus Paris gewesen, und rückblickend glaubte Susannah, dass sie sich nie an das Leben in der amerikanischen Kleinstadt gewöhnt hatte. Carolyn war ein Einzelkind, und ihre Mutter bestand darauf, dass ihre Tochter eine Schule in Frankreich besuchte. Also kam Carolyn auf ein Internat in der Nähe von Paris. Zuerst hatten die Freundinnen einander noch geschrieben, doch irgendwann waren die Briefe seltener geworden, beide hatten neue Freunde gefunden.
Dann war Susannah von ihrem Vater auf dieselbe Schule geschickt worden. Die alte Schulfreundin war damals ihre Rettung gewesen.
Es war Carolyn, die mit ihr weinte, als sie von Dougs Tod erfuhr. Susannah war todunglücklich und wollte unbedingt nach Hause zurück. Sie konnte nicht nachvollziehen, warum ihr Vater nicht bereit war, ihr den Rückflug zu bezahlen. Susannah war sich sicher, dass sie dieses furchtbare Jahr ohne ihre beste Freundin niemals überstanden hätte.
Später gingen sie auf unterschiedliche Colleges, blieben aber dennoch immer miteinander in Verbindung. Dieses besondere Band zwischen ihnen hatte auch Carolyns gescheiterte Ehe überstanden. Dann traf Susannah Joe, sie heirateten, und der Kontakt zwischen Carolyn und Susannah wurde immer weniger.
“Ich rufe sie nach dem Abendessen an.”
“Oh, sie hat mir ihre Nummer gegeben. Sie steht nicht im Telefonbuch.” Ihre Mutter schien einen Moment lang verwirrt zu sein, doch dann wirkte sie erleichtert. “Ich erinnere mich, ich habe den Zettel mit der Nummer in meine Geldbörse getan, damit ich ihn nicht verliere.”
“Wann ist Carolyn wieder nach Colville zurückgekehrt?”
Ihre Mutter runzelte die Stirn. Es war, als müsste sie die Antwort auf die Frage eigentlich kennen, könnte sich jedoch im Moment nicht daran erinnern. “Ich … es fällt mir nicht mehr ein. Ich weiß nicht, ob sie mir das erzählt hat.” Vivian ging zur Kommode und wechselte das Thema. “Soll ich die Schubladen ausräumen, damit du deine Kleidung hineinlegen kannst? Dein Vater hat einige Kleinigkeiten darin verstaut.”
“Nein, Mom, mach dir keine Gedanken darüber.”
Vivian nickte und verließ das Zimmer.
Susannah packte weiter aus. Als sie fertig war, nahm sie ihr Handy aus der Tasche, setzte sich auf die Bettkante und rief zu Hause an.
Schon beim zweiten Klingeln meldete sich ihr Sohn.
“Hallo, Brian.”
“Hey, Mom. Wie geht es Grandma?”
“Ihr geht es gut. Ist dein Vater schon zu Hause?”
“Ja. Chrissie ist auch da. Wir haben schon darüber gestritten, wer das Telefon benutzen darf.” Er senkte die Stimme, und es hörte sich an, als würde er die Hand um die Sprechmuschel legen. “Sieht so aus, als sei sie nicht mehr mit Jason zusammen. Sie hat saumäßig schlechte Laune.”
“Stopp – noch einmal!”, sagte Susannah automatisch. Das waren die Worte, die sie immer benutzte, wenn ihre Kinder oder ihre Schüler sich nicht angemessen ausdrückten. Das mochte altmodisch sein, aber Susannah erlaubte ihnen nicht, unflätige Ausdrücke, beleidigende Worte oder falsche Grammatik zu benutzen – und diese Regel wollte sie auch jetzt nicht ändern. Sie sagte die Worte, um dem Kind die Chance zu geben, sich selbst zu verbessern.
“Sie hat eine
furchtbare
Laune”, sagte Brian, “seit sie angekommen ist, führt sie sich wie eine Du-weißt-schon-was auf.”
Susannah seufzte. “Schatz, lass mich mal mit deinem Vater reden.”
“Alles klar.” Und in einer ohrenbetäubenden Lautstärke schrie Brian: “Dad! Es ist Mom!”
“Mom.” Chrissie war am Telefon. “Ich dachte, du wärest
hier.”
“Tut mir leid, Chrissie. Großmutter braucht mich.”
“Ja, aber ich brauche dich auch. Du hättest mir ruhig Bescheid sagen können.”
“Es tut mir leid, wenn du enttäuscht bist …”
“Dad kann mir
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