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Garten des Lebens

Garten des Lebens

Titel: Garten des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Macomber
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hatte der Organist nach dem Schlusssegen das letzte Lied gespielt, eilte sie bereits zur Tür und wartete ungeduldig beim Wagen, als Susannah und ihre Mutter auf den Parkplatz kamen.
    Sie brachten Vivian zurück ins
Altamira
und führten sie in den Speisesaal. Es war ein großer Fortschritt, dass sie mit den anderen Bewohnern an den Mahlzeiten teilnahm. Noch bis Samstag hatte Vivian darauf bestanden, allein in ihrem Apartment zu essen. Susannah war sich nicht sicher, woher der Sinneswandel kam, doch sie vermutete, dass es mit den Zusatzkosten zu tun hatte, die anfielen, wenn das Essen aufs Zimmer gebracht wurde.
    Als sie wieder im Auto saßen, blickte Chrissie Susannah ein bisschen ängstlich an. “Du hast doch nichts dagegen, wenn ich den Rest des Tages freimache, oder?”
    Bevor Susannah antworten konnte, fügte Chrissie hinzu: “Troy und ein paar seiner Freunde wollen raus zum Lake Roosevelt, um Jetski zu fahren. Er hat mich eingeladen mitzukommen.”
    “Ach …”
    “Es ist Sonntag. Du hattest doch nicht vor, heute mit dem Packen weiterzumachen, oder?”
    Tatsächlich wollte Susannah sich und ihrer Tochter einen Tag Ruhe gönnen. Sie waren erst zum zweiten Gottesdienst in die Kirche gegangen. Nun war es bereits Mittag, und Vivian würde sich nach dem Essen sicher ausruhen. Es war anstrengend für sie gewesen. Erst am späteren Nachmittag wollte Susannah wieder zu ihrer Mutter fahren, um einige Dinge zu besprechen, die entschieden werden mussten.
    Zwar waren Vivians geistige Fähigkeiten manchmal beeinträchtigt, dennoch hatte Susannah das Bedürfnis, sie mit einzubeziehen, auch wenn es ab und an sehr anstrengend war.
    “Du erlaubst es mir doch, Mom, oder?”, fragte Chrissie.
    “Ich denke, das geht schon in Ordnung”, erwiderte Susannah, gab sich jedoch keine Mühe, ihr Missfallen über ein weiteres Treffen zwischen Chrissie und Troy Nance zu verbergen.
    “Du magst Troy nicht, hab ich recht? Du kennst ihn nicht einmal und verurteilst ihn schon.”
    “Chrissie …”
    “Ich bin beinahe zwanzig Jahre alt, verdammt noch mal! Ich werde heute Nachmittag zum See fahren, ob es dir nun passt oder nicht. Troy holt mich in zwanzig Minuten ab.”
    Chrissie hatte sich bereits entschieden, und Susannah grübelte darüber nach, warum ihre Tochter sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, zu fragen. Die Gratwanderung zwischen Anerkennung und Unabhängigkeit zu meistern schien ihr schwerzufallen.
    Ein paar Minuten später kam Troy die Auffahrt hinauf. Er sprang aus seinem Truck, als Chrissie aus der Vordertür trat und die Treppe hinunterlief, um zu ihm zu gehen.
    Mit missmutig aufeinandergepressten Lippen beobachtete Susannah die Szene vom Wohnzimmerfenster aus. Sie sah, wie Troy Chrissies Taille umschlang und ihre Tochter an sich zog, als wolle er Besitzansprüche auf ihren schlanken jungen Körper geltend machen. Troys alter Pick-up war zerkratzt und verbeult, doch das Soundsystem schien noch ausgesprochen gut zu funktionieren. Es war laut genug, um die Fensterscheiben zum Klirren zu bringen.
    Das Pärchen verschwand und ließ eine Abgaswolke zurück. Susannahs Instinkt sagte ihr, dass dieser Junge Ärger bedeutete. Wohin dieser Ärger ihre Tochter führen würde, darüber wollte Susannah nicht nachdenken.
    Nun, da Chrissie fort war, war es im Haus unnatürlich still. Susannah würde zwei Stunden haben, in denen sie entweder weiterarbeiten oder sich entspannen konnte, bis sie wieder ins
Altamira
aufbrechen wollte. Auf der Suche nach einer Aufgabe, die nicht zu anspruchsvoll war und die ihr helfen würde, die Zeit totzuschlagen, schlenderte sie durchs Haus. Sie hätte gern Joe angerufen, aber er und Brian waren an diesem Wochenende zum Lachsfischen gefahren. Joe glaubte, dass es wichtig sei, das Band zwischen Vater und Sohn zu stärken, so wie Susannah das Band zwischen ihr und ihrer Tochter stärkte.
    Das Band. Obwohl Susannah sich Mühe gab, hatten die meisten Gespräche zwischen ihr und Chrissie seit Freitagnachmittag mit Troy zu tun. Und meistens sah Chrissie sich genötigt, ihren Freund zu verteidigen.
    Susannah ging den Flur entlang und hielt an der Tür zum Büro ihres Vaters inne. Der alte Mahagonischreibtisch und der dazu passende Aktenschrank in der Ecke mussten noch aussortiert werden. Ihr Vater war mittlerweile seit sieben Monaten tot, doch bis auf die Schublade, die sie entrümpelt hatte, war der Schreibtisch noch genauso, wie sie ihn vom Tag seiner Beerdigung in Erinnerung hatte.
    Susannah seufzte müde.

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