Gartenschläfer: Der zweite Fall für Franca Mazzari (German Edition)
Drogen.«
»Wer alle?«
»Na, diese Russlanddeutschen. Ich frag mich, was die hier bei uns wollen. Können kein richtiges Deutsch. Und Arbeitslose haben wir mehr als genug. Die sollen doch bleiben, wo sie herkommen. Wer will die denn hier?«
Franca seufzte innerlich. Mit solcherlei Argumentation war sie nur allzu vertraut. »Der Spaghettifresser«, hatten die Leute hinter dem Rücken ihres Vaters getuschelt. Oder sie nannten ihn einfach nur den »Itaker«. Später, als sie dann mit dem dunkelhäutigen David liiert war, kam ihr mal ein hämisch geflüstertes »Aus welchem Busch ist denn der Bimbo entsprungen?« zu Ohren. Diesem Menschen wäre sie damals fast an die Gurgel gegangen. Früher konnte sie sich furchtbar über derlei Bemerkungen aufregen, inzwischen hatte sie sich abgewöhnt, irgendwelche Kommentare abzugeben. Es wäre nur verlorene Liebesmüh gewesen.
Herr Müller war aber noch nicht fertig. »Und immer wieder kommen neue aus Sibirien und Kasachstan und nehmen unseren Leuten die Arbeit weg. Da müsste man mal was tun. Andere Länder haben doch auch so was wie einen Ausländerstopp. Nur wir meinen immer, wir müssten barmherzig alles aufnehmen, was an unsere Tür klopft. Gucken sie sich doch um. Die kriegen das Geld in den Hintern gestopft. Bauen großartige Häuser. Und die Kinder von denen hängen an der Nadel.«
Herr Müller nahm wirklich kein Blatt vor den Mund. Franca suchte Hinterhubers Blick, der mit verbissener Miene neben ihr stand und kurz mit den Achseln zuckte.
»Lilly hieß dieses Mädchen also«, sagte sie knapp. »Wissen Sie denn auch ihren Nachnamen?«
Herr Müller runzelte die Brauen. »Nee, das nicht.« Seine Miene hellte sich auf. »Aber ich kann Ihnen sagen, wo sie wohnt. Das ist nicht weit von hier. Man ist ja froh, wenn man behilflich sein kann«, fügte er eifrig hinzu.
18
Im Raum war es dunkel. Ein unverputzter Gewölbekeller irgendwo unter der Erde. An den Wänden steckten in eisernen Halterungen brennende Fackeln. Rund um das Kreuz verbreiteten Kerzen ein warmes Licht.
Der nackte, geschundene Körper der Frau zuckte. Die Beine auf obszöne Weise gespreizt, war sie auf das Kreuz gefesselt. Die Kamera zoomte heran, fuhr langsam über Scham, Bauch und Brüste, bis sie in dem Gesicht der Frau verharrte. Das war schmerzverzerrt, eine bleiche Maske mit fiebrig glänzenden Augen. Kaum noch Mensch.
Vornübergebeugt und wie hypnotisiert hockte Stephan vor dem Bildschirm. Überdeutlich vernahm er die Geräusche, die aus dem Lautsprecher drangen. Begleitgeräusche eines Todeskampfes, der ein einseitiger Kampf war, wie er wohl wusste. Er spürte, wie die Gänsehaut seinen Rücken hochkroch. Seine Wahrnehmung war auf den sich windenden Körper der Frau gerichtet. Alles andere war ausgeblendet. Voller Anspannung folgte er den Bewegungen der Kamera, sah die Todesangst in ihren weit aufgerissenen Augen. Den flehenden Blick. Seinen Körper durchlief eine Hitzewelle, als ein Schemen über der Frau das Messer ansetzte und zu ritzen begann. Blut floss. Der Schrei war tierisch.
Er spürte das Adrenalin durch seinen Körper jagen. Ihm war heiß, und die Hose wurde eng. Sein Herz raste wie verrückt. Das war genau der Kick, den er gesucht hatte. Das Video bot ihm Einblick in eine Welt, die einem sonst verwehrt war. Eine aufregende, neue Welt, zu der nur wenige Auserwählte Zutritt hatten. Das dort auf dem Bildschirm war keine Animation und kein virtuelles Spiel, das war Realität. Die auf das Kreuz gefesselte Frau starb einen wirklichen Tod.
Sein Herz klopfte. Sein Blut pulsierte. Sein Glied platzte fast. In seinen Fingern kribbelte es. Die Anspannung wurde unerträglich. Er nahm einen tiefen Zug aus der Wodkaflasche. Am liebsten hätte er eine Tüte gekifft, doch sein Vater hatte ein gutes Näschen. Das letzte Mal hatte er ihm auf den Kopf zugesagt, dass es im ganzen Haus nach Haschisch roch. Man konnte nichts dagegen tun, der Geruch drang unter den Türritzen hindurch und verteilte sich im Flur. Für den Wiederholungsfall hielt sein Vater die üblichen Strafen bereit, all solche Sachen, von denen er sich erhoffte, seinen Sohn gefügig zu machen.
Stephan lachte in sich hinein. Kiffte er eben woanders. Und auf Papas Taschengeld war er schon länger nicht mehr angewiesen. Solche Filme wie diesen hier kriegte man schließlich auch nicht umsonst. Er kam sich durchtrieben vor, ein gutes Gefühl.
Er wusste, er musste vorsichtig sein. Nur ja jetzt nicht leichtsinnig werden. Und sein Lieferant
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