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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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der inzwischen eingegangenen Twentieth Century Motor Company hatte Galt den »Selbstgenerator« erfunden, einen veritablen technologischen Gral, der statische Elektrizität aus der Atmosphäre aufnahm und sie in nutzbare Energie umwandelte, somit einen praktisch unerschöpflichen Vorrat an sauberer Antriebskraft erschloß: ein echtes Perpetuum mobile. Aber Galt weigerte sich, seine Erfindung, zu welchem Preis auch immer, Tyrannen zu verkaufen, und ganz gewiß würde er sie ihnen nicht umsonst überlassen; als die Chefs von Twentieth Century Motors den Plan ausheckten, das Unternehmen zu kollektivieren, zertrümmerte er den Selbstgenerator und stürmte hinaus, gelobend, er werde »den Motor der Welt anhalten«.
    John Galt hatte die Wahrheit erkannt: Die Individualisten trugen, wie Atlas, der Titan der griechischen Sage, die Welt auf ihren Schultern, eine Welt, die Korruption und der fatale Widersinn der altruistischen Ethik immer schwerer gemacht hatten. Die Männer des Geistes irrten sich, wenn sie glaubten, ihre Bürde einfach dadurch erleichtern zu können, daß sie sich noch mehr anstrengten. Bestenfalls konnten sie den Zusammenbruch der Zivilisation noch ein, zwei Generationen lang aufhalten - und dabei in Kauf nehmen, daß sie von der Last einer undankbaren Welt erdrückt wurden. Doch das war nicht die Lösung. Atlas, erkannte Galt, mußte die Welt abwerfen. Die Individualisten mußten ihre Unterdrücker bestreiken: ihre Bergwerke und Fabriken schließen, ihre Hochöfen und Schlote ausgehen lassen und fortziehen - nach Atlantis, einem verborgenen Tal in der entlegensten Ecke der Rocky Mountains, einer dem Zugriff der Regierung entrückten utopischen Enklave. Wäre erst das Licht ihrer schöpferischen Fähigkeiten vollständig vom Rest der Welt zurückgezogen worden, so daß den Kollektivisten nichts anderes übrigblieb, als in der Finsternis mit den Zähnen zu knirschen - dann würden endlich alle begreifen, »wer von wem abhängig ist, wer wen unterstützt, wer die Quelle des Wohlstands ist, wer wessen Lebensunterhalt garantiert und was mit wem geschieht, wenn wer alles hinschmeißt«.
    Ayn Rands Roman entwarf ein Universum, in dem es nur Schwarz und Weiß gab, ein absolut humorloses Universum -letztlich wohlwollend denen gegenüber, die seine Regeln lernten, aber unnachsichtig gegenüber jedem, der der Wirklichkeit zu entfliehen oder ein Schnippchen zu schlagen versuchte. Zu jeder Frage gab es genau eine richtige, objektive Antwort, die die Vernunft zu finden vermochte und die, einmal offenbart, von allen rationalen Menschen als wahr akzeptiert werden würde -mochte die Frage nun naturwissenschaftlicher, ökonomischer oder auch persönlicherer Natur sein. Für die Männer des Geistes entwickelten sich nämlich selbst Herzensdinge nach den Prinzipien der reinen Vernunft. Als Dagny Taggard Hank Rear-den kennenlernte, verstand es sich von selbst, daß sie ein Liebespaar werden würden, denn in der strengen Hierarchie der rationalen Denker war Dagny die vollkommenste weibliche Verkörperung des logischen Prinzips und Hank, zumindest in den ersten zwei Dritteln des Buches, der vollkommenste Mann des Verstandes. Dann, auf Seite sechshundertzweiundfünfzig, stand Dagny Taggard, mit ihrem Flugzeug in Atlantis bruchgelandet, endlich John Galt gegenüber, dem rationalsten Menschen auf der ganzen Welt - einem wahrhaften Papst der Vernunft, ernst und unfehlbar. Natürlich gelobte Dagny Galt ewige Liebe und Galt dasselbe ihr; Hank Reardens Status mutierte augenblicklich zu dem eines lieben Freundes. Das machte Hank nicht etwa eifersüchtig. Eifersucht war eine kollektivistische Regung, ein irrationales Verlangen nach einem unverdienten Gut, und Hank Rearden war weder ein Kollektivist noch irrational; ergo war er nicht nur nicht eifersüchtig, sondern sogar außerstande, eifersüchtig zu sein. Im Gegenteil, er bewunderte die harmonischere Symmetrie der neuen Paarung genau so, wie er die klaren Linien eines gut konstruierten Wolkenkratzers bewundert hätte. Er erkannte die Logik von Dagnys Wahl und vergoß keine Träne über ihren Verlust.
    Auf Seite neunhundertsiebenundzwanzig hatten sich bereits alle Individualisten nach Atlantis abgesetzt - mit einer Ausnähme: Dagny Taggard harrte noch aus und weigerte sich trotz ihrer Liebe zu John Galt, ihre Eisenbahnen im Stich zu lassen. Uberall in Amerika aufflammende Ausbrüche von Anarchie und Chaos kündigten das nahende Ende des altruistischen Imperiums an, doch Dagny war

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