Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
Vom Netzwerk:
ihnen einen Augenblick Zeit, sich wieder aneinander zu gewöhnen, bevor er sich ihnen anschloß. Als Philo Lexas Lebensgef. Nr. 2 näher kommen sah, trat er von seiner Frau zurück und nahm eine Ringerhaltung an. Toshiro ging mit einer entsprechenden Gegendrohgebärde auf das rituelle Spiel ein; dann stürmten die beiden Männer wie zwei um die Vorherrschaft kämpfende geile Primaten aufeinander los.
    Vom männlichen Standpunkt aus betrachtet ist der Haken an der Polyandrie nicht lediglich der Umstand, daß man mit derselben Frau im Bett liegt, sondern daß man auch miteinander im Bett liegt. Für Toshiro, der im Lauf seines Lebens in der New Yorker Stripperszene jede erdenkliche Metamorphose von Liebe und Lust mitgemacht hatte, war das eine ganz natürliche Sache, aber Philo hatte von Wesen und Zweck der Sexualität durch ein mennonitisches Handbuch für christliche Eheleute erfahren, und alte Hemmungen sind eben schwer totzukriegen. Also ging er mit seinem Problem - einem kaum nennenswerten Anflug von Homophobie - so um, daß er sich bei jedem ersten Wiedersehen ohne Vorwarnung auf Toshiro stürzte und ihn in ein freundschaftliches schweißtreibendes Gerangel verwickelte, das dem noch freundschaftlicheren, zu dem es im weiteren Verlauf des Abends kommen würde, gewissermaßen die Spitze nahm.
    »Harrrr!« röhrte Philo, packte Toshiro an den Schultern und schüttelte ihn durcheinander. »Grrrrr!« röhrte Toshiro zurück und tat so, als würde er sich ihm widersetzen, obwohl Philo ihn, wenn dies eine ernstgemeinte Konfrontation gewesen wäre, wie ein Stöckchen hätte entzweibrechen können. So aber stürzten die beiden ineinander verkrallt auf die Pier und wälzten sich in einem gespielten Kampf auf Leben und Tod. Lexa fand den Anblick amüsant - und nicht unerregend, besonders als Philo im Übereifer des Gefechts Toshiro das Sweatshirt vom Leib fetzte -, Seraphina hingegen war eher peinlich berührt. »Die afrikanischen Krieger haben sich andauernd gegenseitig gevögelt, Dad!« schrie sie. »Sei doch nicht so'n entsetzlicher Spießer!«
    Asta Wills und Norma Eckland erschienen aus dem Niedergang und traten aufs Flugdeck, Norma in einem subtil im Chamäleonstil changierenden Abendkleid, Asta in einem konventionelleren Ensemble aus Rock und Bluse mit dazugehöriger Handtasche aus Känguruhlederimitat. »Da bahnt sich mal wieder ne kleine Männerbindung an, was?« sagte Asta. »Urgesellige Leute, diese Amis.«
    Aber die Kämpfenden machten allmählich schlapp. Philo ließ sich völlig geschafft auf den Rücken plumpsen, während Toshiro als ein keuchendes Bündel quer auf Philos Schenkeln liegenblieb. Die windpockenfleckige Rabi nutzte die Gelegenheit aus, um loszurennen und auf den ungedeckten Bauch ihres Vaters zu springen; Lexa kniete sich neben Philos Kopf hin und gab ihm einen weiteren Kuß. Seraphina schlug sich alle Gedanken an arktische Eisbonbons zumindest lange genug aus dem Kopf, um sich an der Massenkarambolage zu beteiligen.
    Norma stützte ihr Kinn auf Astas Schulter.
    »Geht doch wirklich nichts über die gute alte Kleinfamilie«, sagte sie.

6
    Sex ist das, was männliche und weibliche Lebewesen voneinander unterscheidet. Andererseits bewirkt er auch deren wechselseitige Anziehung und ruft starke Emotionen und Begierden hervor. Durch den Sex fangen Mann und Frau an, sich füreinander zu interessieren, verlieben sich ineinander, heiraten und zeugen Kinder. Alle höheren Lebensformen vermehren sich von Generation zu Generation auf dem Weg der geschlechtlichen Fortpflanzung. Doch beim Menschen besitzt die Sexualität weit mehr als nur arterhaltende Bedeutung.,.
    The World Book Encyclopedia
2001: Die Entstehung von Nouvelle Wollust
    E s war das Jahrzehnt, das man - zumindest anfangs - die »Wüsten Nuller« genannt hatte: Der 1999 errungene Sieg über Aids war gerade noch rechtzeitig gekommen, um mit der Jahrtausendwende eine Neue Promiskuität einzuläuten. Aus einem Bedürfnis der Fairness gegenüber konservativen Moralisten heraus, wählte das Oberste Bundesgericht denselben historischen Zeitpunkt aus, um das Urteil in der Sache Roe gegen Wade in letzter Instanz zu widerrufen, wobei die entscheidende Stimme im überraschenden Fünf-zu-vier-Ergebnis von einem »kryptochristlichen« demokratischen Richter kam. Das daraus resultierende gesellschaftliche Paradoxon war von genau der Art, für die Amerika rechtens so berühmt ist: In jenen Jahren kam man am frühen Morgen von einer »Spielparty« nach Haus,

Weitere Kostenlose Bücher