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G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke

Titel: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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erdröhnen ließen. In den meisten Superwolkenkratzern gab es etwa alle sechzig Stockwerke »Wolken-Lobbies« (die nebenbei auch als potentielle Feuerschneisen dienten), wo Langstreckenfahrstuhlgäste ausstiegen, durch mehrere aufeinanderfolgende Drehtüren gingen, die als Luftschleusen funktionierten, und für die nächsten sechzig Stockwerke einen anderen Lift bestiegen. Das war ziemlich umständlich, aber immer noch besser als Sturmböen in Kauf nehmen zu müssen, die einen Sechshundertmeterschacht hinauf- und hinunterheulten.
    Die Abteilung für Öffentliche Meinung von Gant Industries hatte ihre Zentrale im 200. Stock. Die meisten Meinungsingenieure besaßen kein eigenes Büro, sondern arbeiteten gemeinsam in einem einzigen offenen Raum, bekannt als der »Cor-tex« - stellten doch Marketing und Imagepflege, was immer sich die Krämer in der F&E auch einbilden mochten, das wahre Gehirn und Nervensystem des Konzerns dar dessen Südwand aus einem einzigen riesigen Fenster mit Blick auf die untere City bestand. Dafür konzipiert, die kreative Energie seiner zeitweiligen Bewohner zu bündeln und zu verstärken, war der Cortex so laut wie ein Wallstreet-Börsensaal, nur größer, besser, am besten.
    Um zehn Uhr, als Joan und Kite nach mehreren Fahrstuhlwechseln dem letzten Lift entstiegen, war der Cortex tief in Gedanken versunken und heckte machiavellistische Machinationen aus -
    »... ich schlage vor, wir nehmen ein paar doppelwandige Frachtschiffe und füllen den Zwischenraum zwischen Innen-und Außenrumpf mit Rohöl. Laßt Dufresne eins davon versenken, eine kleinere Ölpest verursachen, und piffpaff-puff ist sein Ruf als Freund und Helfer der Umwelt im Eimer.«
    »Ich bin damit nicht ganz glücklich, Bob.«
    »Ich auch nicht. Was, wenn eins der frisierten Frachtschiffe eine Havarie hat, bevor Dufresne dazu kommt, es zu torpedieren?«
    »Also bitte, wie oft kommen Havarien schon vor?«
    - brütete über neuen und innovativen Werbefeldzügen -
    »Okay, Band ab.«
    »Es ist soweit. Das Telefon streikt, und das Auto springt nicht an ...«
    »Sissy! Sissy vier-sieben-acht! Komm schnell! Bei Scarlett haben gerade die Wehen eingesetzt! Ich brauche Hilfe!«
    »Wehen! Wehen! O weh, Mr. Butler, ich nix wissen von kleine Beebis kriegen...«
    »Das stimmt. Sie weiß es nicht... noch nicht. Aber die neuste Entwicklung von Gant Industries, die automatische Hebamme ...«
    »Band stopp. Was halten Sie davon?«
    »Wovon?«
    »Es gefällt Ihnen nicht.«
    »Wissen Sie, was eine Hebamme tut? Ganz konkret, meine ich?«
    »Naja ... zugegeben, wir haben's hier mit einem ziemlich intimen Kontakt zu tun.«
    »Versuchen wir's mit einer Analogie: Selbst wenn ich Ihnen versicherte, daß keinerlei Risiken bestehen, und Ihnen eine Geld-zurück-Garantie gäbe, würden Sie Ihre Beschneidung in die Hände eines Androiden legen?«
    - und erwog die Äußerungen von Elektro-Rechtsbeiständen, besonders programmierten und wie schwarze Richterinnen aufgemachten und angezogenen Dienern, die die jeweils aktuellsten von Bundeskartellamt und Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde erlassenen Richtlinien für die Zulässigkeit von Werbeaussagen herunterbeten konnten.
    »... also wir haben Käseersatz, anorganischen Oregano und gestrecktes Mehl im Teig, aber solange Tomaten bei der Herstellung der Soße eine gewisse Rolle spielen, dürfen wir die Pizza als reines Naturprodukt bezeichnen?«
    »Dagegen ist juristisch nichts einzuwenden.«
    »Wie steht's mit dem Aufdruck »reich an natürlichen Ballaststoffen    »Das Landwirtschaftsministerium hat sich zu einem Verzicht auf die Erfüllung dieser Bedingung bereit erklärt, unter der Voraussetzung, daß der Holzschliffanteil dreißig Prozent des Gesamtvolumens des gestreckten Mehls nicht überschreitet.«
    »Dreißig Prozent? Ja glauben die denn, daß wir Möbel backen? Kein Problem ...«
    Joan versuchte, möglichst nicht aufzufallen, während sie durch den Raum auf die Doppeltür zuging, die in Vanna Domingos Büro und, jenseits dieser Barriere, in Harry Gants Privat-Arbeitssuite führte. Allein hätte sie es vielleicht geschafft; seit sie hier aufgehört hatte, war die Fluktuationsrate bei den Mitarbeitern recht hoch gewesen, und es gab nur noch ein paar Meinungsingenieure, die sie auf den ersten Blick erkannt hätten. Kites fehlender Arm erregte aber hier ebensoviel Aufmerksamkeit wie vorhin in der

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