Gassen der Nacht
Ray Ralston vorgestellt und war sehr ernst gewesen.
Sie hatte ihm einen Platz angeboten und ihm für einige Minuten stumm zugehört.
Er wollte sie vor der Nacht warnen und vor dem Mörder, der eventuell durch die Gassen streifte.
Paula konnte das nicht akzeptieren. Sie hatte einige Male den Kopf geschüttelt und gefragt, wie er darauf kam.
»Sie haben sicherlich von dem Mord an Walt Temple gehört.«
»Dem Trödler?«
»So ist es.«
Paula hob die Schultern. »Tja, ich weiß nicht so recht. Gehört habe ich davon, aber auch von den Gerüchten, die sich um diese Tat ranken. Ich habe nur keine Ahnung, wie ich sie einordnen soll.«
»Denken Sie einfach daran, daß die Tat Ihre schlimmsten Vorstellungen noch übertrifft.«
Paula Devine hatte die sehr ernst klingende Antwort genau verstanden, dennoch weigerte sie sich, diese Worte ernst zu nehmen, weil sie sich ihr Gegenüber einfach nicht als einen Polizisten vorstellen konnte. Dieses etwas kindlich wirkende Gesicht mit den Pausbacken, dazu die blonden Haare fast streichholzkurz geschnitten. Die dicke, dunkle Hornbrille wollte nicht so recht zu diesem Äußeren passen und verzerrte den Gesamteindruck. Dieser Knabe war ihrer Meinung nach eher ein Bankangestellter als ein Polizist.
»Das ist ja alles sehr nett, Mr. Ralston, aber was habe ich damit zu tun?«
»Direkt nichts. Ich möchte Sie nur bitten, im Haus zu bleiben. Ich habe mit vielen Bewohnern dieses Viertels gesprochen und…«
»Wer hat Ihnen denn geglaubt, Inspektor?«
Ralston räusperte sich. »Nicht sehr viele, wenn ich ehrlich sein soll, aber ich hielt es für meine Pflicht.«
»Ja, schon gut.« Sie stand auf. »Möchten Sie einen Schluck, oder sind Sie im Dienst?«
»Ich bin durch.«
»Zum Abschluß einen Weinbrand. Einen spanischen habe ich im Haus, der wird Ihnen munden,«
»Einverstanden.« Er schaute Paula nach, wie sie zum Sideboard ging. Darauf stand ein großes Tablett mit Flaschen und Gläsern. Paula trug im Haus zumeist Leggings. Sie umspannten ihre Beine sehr eng. Da das bunte weite Sweatshirt nur knapp bis zu den Oberschenkeln reichte, zeichneten sich ihre Beine auch noch dort ab, wo sie endeten und in gewisse Rundungen übergingen, die dem Polizisten gefielen, deshalb gestattete er sich auch ein kleines Lächeln. Paula Devine gönnte sich ebenfalls ein Glas. Sie trug hochhackige Schuhe und stöckelte wieder zurück. Gelassen nahm sie Platz.
»Cheers, Inspektor, Auf was trinken wir?« Sie lächelte dabei und streifte mit dem Glasrand ihr Kinn.
Ray Ralston blieb ernst. »Lassen Sie uns darauf trinken, daß wir die folgende Nacht überleben.«
Paula erschrak. »So schlimm sehen Sie das?«
»In der Tat.«
Sie trank hastig und strich über ihr Haar. »Inspektor, Sie tun so, als würden Sie den Mörder kennen und genau wissen, daß er wieder unterwegs ist.«
Er nickte. »Damit rechnen wir.«
»Verdammt, dann fangen Sie ihn doch!«
Ralston zeigte ein säuerliches Grinsen. »Wenn das so einfach wäre, würde ich jubeln.«
»Hält er sich versteckt?«
»Auch das.«
»Wissen Sie, wer der Täter ist?«
»Ich nehme es an.«
»Und wer? Kenne ich ihn? Ist es einer aus dieser Gegend? Sagen Sie ehrlich…«
»Könnte sein.«
Paula starrte ihn an. Ihr Gesicht war leicht geschminkt. Sie hatte einen blassen Puder aufgetragen und roch noch nach dem Duschgel. Ralstons Worte waren bei ihr nicht ohne Wirkung geblieben, denn er sah, wie ein Schauer über ihre Haut lief und sie für einen Moment die Lippen zusammenpreßte.
»Glauben Sie mir nun?«
Sie leerte das Glas. »Ich weiß es nicht. Ich denke dabei auch mehr an mich.«
»Das ist gut.«
»Aber nicht so, wie Sie vielleicht meinen. Mir geht es dabei um eine sehr persönliche Sache.«
»Zu persönlich für mich?«
Paula zögerte mit der Antwort. Um Zeit zu gewinnen, stand sie auf und goß sich einen zweiten Drink ein. Unhörbar schlich ihr Kater an sie heran und rieb seinen Körper an ihren Waden. Als er anfing zu quengeln, bückte sie sich und streichelte ihn.
Das Tier begleitete sie auch zurück zum Tisch und blieb neben ihren Füßen schnurrend liegen. »Nein, Inspektor, nicht zu persönlich«, flüsterte sie und starrte gegen ihr Glas. »Es - es betrifft eigentlich viele Menschen und hängt mit dem Vollmond zusammen.«
»Verstehe. Sie leiden darunter.«
»Das kann man sagen.«
»Sehr stark?«
»Ich würde schon von einem Extrem sprechen«, erwiderte sie. »Ich gehöre zu den Personen, die mondsüchtig sind.«
Ralston
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