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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wenn auch nicht allzugroßen Risiko verbunden.“
    Die Gea f log tatsächlich mit erhöhter Geschwindigkeit auf die Proxima zu, allerdings nicht in gerader Linie, sondern auf einer geeigneten, vorausberechneten Bahn.
    Der rote Zwerg ließ den Astronomen seit langem keine Ruhe; er gab ihnen immer neue Rätsel auf. Diese schwachleuchtende Sonne, die bedeutend kleiner ist als unsere Sonne – sie hat eine Temperatur von kaum 3000 Grad –, strahlt von Zeit zu Zeit so hell auf, daß sich ihre Lichtstärke um ein Vielfaches erhöht. Die Astrophysiker halten diese Erscheinung für Schwankungen der Atomumwandlungsprozesse, die in ihrem Innern vor sich gehen. Professor Trehub sagte einmal, dieses Aufblitzen sei sicherlich das Ergebnis der Experimente, die von lebenden Wesen auf einem nahen Planeten vorgenommen würden. „Sie sind offenbar mit der niedrigen Temperatur ihrer Sonne nicht zufrieden und bemühen sich, sie zu erhöhen. Zu diesem Zweck schüren sie von Zeit zu Zeit das Feuer.“ Das war natürlich einer seiner Scherze.
    In den nächsten elf Tagen unseres Fluges wurde die rote Scheibe größer. Bereits am achten Tag hatte sie scheinbar die Größe unserer Sonne erreicht, so, wie wir sie von der Erde sehen. Am zehnten Tag mußten die Heliumkühlschlangen unter dem Panzer der Gea in Betrieb genommen werden, da sich der Schiffskörper allmählich erwärmte.
    Immer mehr Neugierige strömten jetzt auf das Promenadendeck und betrachteten durch dunkle Gläser die rote Sonne.
    Vorderhand konnten wir kein Aufblitzen bemerken. Die Sterngalerie war von gleichmäßigem Purpurlicht überflutet, das von Tag zu Tag intensiver wurde.
    Mich reizte dies alles wenig, die Mitteilung Grotrians beschäftigte mich zu sehr. Ich überlegte lange und erfolglos.
    Schließlich faßte ich mir eines Abends ein Herz und suchte Trehub auf, um seine Meinung über dieses Problem kennenzulernen. Ich traf ihn im kleinen Observatorium, wo er häufig die halbe Nacht hindurch arbeitete. Er hörte mir geduldig zu und sagte: „Mein lieber Kollege, weshalb du ausgerechnet zu mir gekommen bist, liegt für mich klar auf der Hand. Ich verdanke deinen Besuch meinem Ruf, der Kühnste der Kühnen zu sein, wenn es gilt, eine neue Hypothese aufzustellen. Ich muß dir aber beichten, woher dieser Ruf stammt. Ich bin der Meinung, daß in der Wissenschaft Kontroversen notwendig sind, damit die Entwicklung beschleunigt wird und die Begriffe geklärt werden. Häufig habe ich in wissenschaftlichen Diskussionen nicht recht behalten; aber stets mußten meine Gegner die Einzelheiten der von ihnen verteidigten Ansichten weiter klären und ausfeilen. Dadurch festigten, vereinfachten und vervollkommneten sie ihre Thesen. Das bedeutet natürlich nicht, daß ich um jeden Preis und bei jeder Gelegenheit opponiere. Ich tue es aber oft und um einen hohen Einsatz, das heißt mit einem großen Risiko. Wenn ich etwas wert bin, dann nur deshalb, weil ich dieses Risiko nicht fürchte. Trotzdem glaube ich nicht, daß man die Hypothesen, die du mir unterbreitest, ungestraft weiterentwickeln kann. Was sind die Tatsachen? Die nicht verschlossene Klappe eines Bombenschachtes, einige Mikrogramm Astron auf einer der Atombomben. Das ist eigentlich alles. Du wolltest aber nicht nur das Aussehen der Wesen kennenlernen, die angeblich den Satelliten vor Jahren aufgesucht haben, sondern von mir auch etwas über ihre Psyche erfahren. Du solltest dich in dieser Angelegenheit an Professor Entreuil wenden, denn sie bietet Stoff für ein neues Märchen von den Sternen. Und darin ist er Spezialist, darin schlägt er alle Märchenerzähler.“
    Ich verließ das Observatorium nicht klüger, als ich hineingegangen war. Ob ich wollte oder nicht, ich mußte das Problem, das mich so sehr beschäftigte, fallenlassen. Aber ganz vermochte ich mich nicht von ihm zu lösen. Die rätselhaften Wesen verfolgten mich bis in meine Träume. Einmal ähnelten sie dreieckigen Segeln, ein andermal gallertartigen Wolken, dann wieder gepanzerten, achtarmigen Kraken. Ameta lächelte, wenn ich ihm von meinen Phantasiegebilden erzählte, und meinte schließlich, sie seien ein Konglomerat mir vertrauter Bilder, anders könne es gar nicht sein. Was nicht auf Erfahrungen und Erkenntnissen beruht, das vermag man sich weder in seiner Gesamtheit noch in seinen Einzelheiten vorzustellen.
    In der dritten Woche nahm der rote Zwerg bereits den zehnten Teil des Firmaments ein. Die Kühlanlagen der Gea arbeiteten mit voller Kraft, um die

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