Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
eine Frau auf, die einige Meter über uns auf einer vorragenden Plattform stand. Callarla war es. In demselben Augenblick stutzte ich und ahnte mehr, als ich sah, was noch keiner wußte: Sie war guter Hoffnung. Ihr Körper war noch immer mädchenhaft schlank. Ich erriet es aus einer Bewegung, aus den Augen, einem Gesichtsausdruck, als hörte sie nicht das, was in ihrer Umgebung zu vernehmen war, sondern als lauschte sie in sich, in ihren Körper, in dem sie bereits die ersten Regungen der neuen Zukunft spürte.
Die Magellanschen Wolken
    Der Fliederstrauß stand am Fenster in einem Glasgefäß, das sonst Laboratoriumszwecken gedient hatte. Ich saß am Tisch und beobachtete die Automaten, die Löcher in den Felsen bohrten, Dutzende Löcher, die konzentrische Kreise bildeten. Dann brachten sie die Sprengladungen an und zogen sich zurück. Die Detonation war nicht zu hören. Der von dem Feuer zerfetzte Felsen bäumte sich auf, eine Wolke von Rauch und Gestein flog hoch. Der Boden bebte, und aus den Fliederdolden fielen kleine Blütensterne. In dem luftleeren Raum senkte sich der Rauch schwer wie Eisenfeilspäne. Die Automaten kamen aus ihren Deckungen hervor, stiegen in den Trichter und legten dort eine Schicht Metallstäbe. Ein Strahlenwerfer streckte den langen Hals vor, bewegte den Kopf hin und her, er sah aus wie eine karikierte Giraffe, die sich umschaut und imaginäres Laub sucht.
    Ein blendender, stahlblauer Blitz–das Metall im Trichter schmolz unter dem Druck der Strahlung, kühlte aus und erstarrte. Die Automaten stapften über die rauhe, holprige Oberfläche, schliffen und polierten sie, bis sie wie Quecksilber glänzte.
    Inzwischen brachten andere Automaten in der Nähe neue Sprengladungen an; sie hoben die Fundamente für den Antennenmast aus. Wieder bebte der Boden, immer mehr kleine, weiße Blüten fielen herab.
    Am fünften Tage sagte Zorin: „Schade, daß wir keinen Ofen haben… so einen ganz alten für ein richtiges Feuer, weißt du? Wir könnten in ihm die Zweige verbrennen. Erinnerst du dich an den Rauchgeruch bei so einem Herd?“
    „ Ja, sehr gut sogar.“
    Als er am Nachmittag den Skaphander anzog und hinausging, um zum zweitenmal an diesem Tag das Fortschreiten der Arbeiten zu kontrollieren, nahm er die welken Zweige mit. Eine Stunde später kam er zurück. Die Zweige staken hinter seinem Gürtel. Ich sah es wohl, sagte aber nichts.
    Zorin hatte meinen Blick bemerkt. „Ich konnte sie nicht irgendwo liegenlassen“, sagte er entschuldigend. „Es ist überall so steinig. Wenn wenigstens ein bißchen Erde da wäre.“
    „Es ist besser, daß du sie wieder mitgebracht hast“, antwortete ich. „Flieder hat weiches Holz, und die stärkeren Zweige haben leichtes, weiches Mark. Man kann allerlei daraus schnitzen. Als Kind habe ich oft damit gespielt.“
    Die Zweige kehrten in das leere Gefäß zurück und blieben dort – bis zum Schluß.
    Die Automaten arbeiteten ohne Unterbrechung Tag und Nacht. Für sie war das einerlei, für uns nicht. Es war schwierig, einen bestimmten Rhythmus von Schlafen und Wachen einzuhalten, denn der Asteroid drehte sich so schnell um seine Achse, daß unsere felsige Ebene alle drei Stunden den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt war. Die Sonne – sie war fünfundzwanzigmal so weit entfernt wie unsere Sonne von der Erde – verbreitete in der dreistündigen „Nacht“ mehr Helligkeit als unser Vollmond. Tagsüber brannten die Felsen wie glühende Metallblöcke, nachts phosphoreszierten sie in starkem, eiskaltem Licht. Die Umdrehungsgeschwindigkeit des Planetoiden war so groß, daß man beobachten konnte, wie die Schatten länger wurden. Es waren die schwarzen, alles verschlingenden Schatten der Leere. Beugte sich ein Automat aus dem Licht in den Schatten, dann hatte man den Eindruck, als hätte jemand ihn in zwei Teile zersägt, von denen einer spurlos verschwunden war.
    Jeden Abend saßen wir vor den Empfangsgeräten, die sich im ersten Stock unseres winzigen Hauses befanden, und lauschten aufmerksam dem dumpfen Rauschen im Lautsprecher. Durch das Chaos von Knistern und Geräuschen, das aus einem dunklen, geheimnisvollen Wallen und Wogen zu kommen schien, erklang plötzlich das helle Rufzeichen der Gea. Da wir einen provisorischen Sendemast aufgestellt hatten, waren wir in der Lage, die Fernsehverbindung mit unserem Schiff aufzunehmen. So kamen wir allabendlich mit unseren Gefährten zusammen, tauschten Informationen aus, sprachen über die Fortschritte der

Weitere Kostenlose Bücher