Gast im Weltraum
Raketen mit einem Rauminhalt von vierzigtausend Tonnen. In die Berechnungen hatte sich wohl ein Fehler eingeschlichen, denn die Raketen erwärmten sich während des Fluges sehr stark. Die Produktion wurde eingestellt, und die fertigen Raketen wurden auf der Linie Titan–Erde eingesetzt. Sie sollten Schwefel befördern. Gleich beim ersten Flug explodierten einige. Der Schwefel vergaste und zerriß die Raketen wie einen Gummiballon. Keiner wußte, was aus den restlichen Raketen werden sollte. Auf der Erde durfte man sie nicht landen lassen, das Risiko war zu groß. Menschen durfte man nicht gefährden, um Automaten war es ebenfalls schade, denn so ein Ding konnte jeden Augenblick explodieren. Daher entschloß man sich, die Raketen, es waren immerhin noch ziemlich viele, durch Funk umzuleiten und sie aus unserem Sonnensystem zu steuern. Mochten sie in den Weltraum fliegen, wohin sie wollten. Der Schwefel würde ja nicht den ganzen Kosmos verpesten. Ein Jahr später beantworteten sie die Radiosignale nicht mehr. Die Kosmodromiten atmeten erleichtert auf. Erst dreißig Jahre später ereignete sich die erste und bald darauf die zweite Schwefelkatastrophe. Die Lastraketen waren keineswegs auf Nimmerwiedersehen in den Raum geflogen. Sie waren, was man damals nicht genau genug berechnet hatte, in den Anziehungsbereich des Jupiters geraten, der sie natürlich, wie es seine Art ist, von ihrer Bahn ablenkte, auf Kometenbahnen umrangierte und weiterfliegen ließ. Seitdem fliegen sie in langgezogenen Ellipsen durch den Raum. Sie entfernen sich für einige Dutzend Jahre von der Sonne, bleiben in ihrem Aphel und kehren zurück. Solange sie weit genug von der Sonne entfernt sind, reicht die Kühlung aus, der Schwefel vergast nicht. Kehren sie zurück, dann beginnen sie sich in der Nähe der Marsbahn zu erwärmen und zerspringen in der Höhe der Erde wie Seifenblasen. Kannst du dir das vorstellen? Dreißigtausend Tonnen Schwefel verwandeln sich in komprimiertes Gas. Die Rakete platzt, eine Gaswolke von mehr als hunderttausend Kilometer Durchmesser entsteht, die sich in einigen Wochen auflöst. Kommt aber ein Asteroid in der Nähe vorüber, dann zieht er die Wolke an, umgibt sich mit ihr, und das Elend dauert Monate. Es bildet sich ein kugelförmiger Mantel von gasförmigem oder vielmehr pulverisiertem Schwefel – denn das Gas kristallisiert ja, wie du weißt, im Weltraum, und das Gas umschließt wie eine flaumige Hülle einen verdammt harten Siliziumkern. Dieser Nebel geht so unmerklich in die Leere über, daß du in ihm drin sitzt wie in einem Topf, bevor du merkst, was los ist. Radarwellen bleiben in ihm stecken wie in einem Teig. Licht läßt er nicht durch, du siehst nichts mehr, auch nicht die Sterne, hörst keine Signale, verlierst die Orientierung und mußt darauf gefaßt sein, früher oder später die Rakete auf den Kern, das heißt auf den Asteroiden zu packen. Es gibt nur einen Ausweg; Die Motoren abstellen, den Asteroiden mit Hilfe des Gravimeters ausmachen, die Rakete auf zentrifugalen Kurs bringen und dann mit aller Kraft das Weite suchen. Das alles ist leicht gesagt, fällt man aber erst in so eine Suppe, dann verliert der Mensch unwillkürlich den Kopf. Noch schlimmer ist es natürlich bei Automaten. Überleg mal: Auf den Planeten gibt es doch keine ‚natürliche Schwefelatmosphäre‘ und kann es auch nicht geben. Deshalb ist nicht ein einziger Roboterpilot solchen Extravaganzen angepaßt… Kurz und gut, eines Tages kehrten ungefähr dreißig Kinder von einem Ausflug nach dem Mars zur Erde zurück, und ihre Rakete geriet in so einen Schwefelnebel, der einen übrigens sehr kleinen Asteroiden von einigen Dutzend Kilometer Durchmesser umgab. Das ist sehr wichtig. Der Roboterpilot versuchte zu manövrieren, dann tat er das einzig richtige: Er schaltete die Motoren aus. Auf diese Weise vermied er eine Katastrophe. Die von dem Asteroiden angezogene Rakete fiel langsam auf ihn hinunter. Natürlich kann so ein ,Hinunterfallen ‘ Wochen dauern. Die Kinder waren vom Mars allein abgeflogen, die Lehrerin sollte, ich weiß nicht mehr weshalb, auf der ersten kosmodromischen Station zusteigen.“
„Wie ist denn so etwas möglich? Und die Warnungen?“ warf ich erstaunt ein.
„Ich weiß auch nicht, wie es geschehen konnte. Warnungen hatte man bestimmt gesendet. Vielleicht waren sie ungenau. Solche Fälle kommen Vor, seltener als früher, aber sie kommen vor. Das war eben ein Fall von eins zu hunderttausend. Als die
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