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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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wie du behauptest. Und rund und voll kann man dich gewiß nicht nennen.“
    „Das wird sich zeigen, denn alles liegt noch vor uns. Einstweilen kann man nur sagen: Wir werden unsere Pflicht tun, nicht wahr?“
    Ich schloß unwillkürlich die Augen und nickte zustimmend. Als ich sie wieder öffnete, war Yrjöla verschwunden, als hätte ihn einer der Teufel geholt, von denen er gesprochen hatte. Wie eine videoplastische Illusion, dachte ich und lächelte bitter.
    Ich erkundigte mich bei dem Informator nach dem Weg zum Krankenhaus. Nach einer kurzen Fahrt durch einen senkrechten, dann durch einen langen, schräg nach oben führenden Schacht mit opalisierenden Milchglaswänden war ich am Ziel. Der Korridor zum Krankenhaus war schmaler als die Galerie über dem Park. Die Wände waren kremfarben und golden, mit blauen Malereien geschmückt, die den Eindruck erweckten, als fiele der Schatten von Blättern darauf. Dabei waren keine Fenster zu sehen. Der Teufel mochte wissen, wie sie das gemacht hatten; denn diese Schatten bewegten sich wie Laub im Wind. Wahrlich, die Gea war voll Überraschungen. Allerdings waren einige für meinen Geschmack etwas zu gewollt und aufdringlich.
    Rasch besichtigte ich die Wohnung, die für mich bestimmt war. Sie bestand aus einigen hellen Räumen und einem Arbeitszimmer, dessen Fenster auf das Meer hinausgingen. Auch das Meer war natürlich eine videoplastische Vorspiegelung, die in mir gewiß eine um so größere Sehnsucht erwecken würde, da sie unerfüllbar blieb. Vielleicht war es notwendig und gut so.
    Meine Wohnung war durch einen gewölbten, weiten Vorraum mit dem Krankenhaus verbunden. In der Mitte dieses Vorraums stand in einem großen Majolikakübel, der in den Fußboden eingelassen war, eine dunkle Araukarie. Ihre Nadeltatzen ragten nach allen Seiten hin weit in den Raum, als wollten sie nach jedem Vorübergehenden greifen und ihn an ihr Vorhandensein erinnern. Durch eine Doppeltür gelangte ich in einen kleinen Saal mit einer ganzen Reihe von Wandschränken, Strahlungssterilisatoren und glasumgebenen Ventilatoren. In Wandnischen, die mit Milchglas verkleidet waren, befanden sich chemische Mikroanalysatoren, Gläser, Retorten, elektrische Brenner. Das Weiß des nächsten Saales war, wenn möglich, noch reiner. Die Apparate blinkten wie Silber, die Sessel waren aus elastischem Porzellan. Durch die hohen, im Halbkreis angeordneten Fenster blickte ich auf ausgedehnte, reifende Getreidefelder, die im Sommerwind wogten.
    Die schräge Rampe auf der anderen Seite des Saales endete vor einer hohen matten Glaswand. Der Raum dahinter war wohl der eigentliche Operationssaal, denn durch die Scheiben sah ich undeutlich die Umrisse von Apparaten und den Operationstisch, der in seiner Form an einen Brückenbogen erinnerte.
    Als ich auf die andere Tür zuging, die aus dem Saal führte, hörte ich leichte, kleine Schritte – ohne Zweifel Frauenschritte. Ich zögerte. Ein toller Gedanke durchzuckte mich: Anna! Gleichzeitig kam mir das Widersinnige einer solchen Idee zum Bewußtsein. Ich öffnete die Tür und betrat den Raum. An einem der Fenster stand eine weißgekleidete Frauengestalt. Sie kehrte mir den Rücken zu. Hinter ihr reihten sich schneeweiße Betten. Sie waren durch saphirblaue Wände, die bis an die Decke reichten, voneinander getrennt. Soviel ich sehen konnte, hatte die Frau den gleichen Wuchs wie Anna; sie schien sehr jung zu sein. Ihr dunkles Haar war zu Locken gekräuselt. Daß sie sich beim Klang meiner Schritte nicht umdrehte, ließ meine stille Hoffnung wieder wach werden. „Anna“, flüsterte ich.
    Sie konnte es auf keinen Fall gehört haben, das war gewiß; aber sie wandte sich gerade in diesem Augenblick um. Nein, es war nicht Anna, ein wildfremdes Mädchen stand vor mir. Sie war schöner als Anna. Trotzdem suchte ich, als ich auf sie zuschritt, noch immer in diesem fremden Gesicht die mir so lieben und vertrauten Züge, als wollte ich meinen Traum mit aller Gewalt in Wirklichkeit verwandeln.    
    „Du bist der Arzt, nicht wahr?“ fragte sie, ohne sich zu rühren.
    ,Ja.“
    „Dann sind wir Kollegen“, sagte sie. „Ich heiße Anna Ruys.“
    Unwillkürlich zuckte ich zusammen und sah sie forschend an. Unsinn! Selbstverständlich wußte sie nichts, konnte gar nichts wissen. Gab es denn in der Welt nur eine Frau, die diesen Namen trug?
    Sie lächelte und zog zugleich die Brauen zusammen. Sicherlich hatte sie mein kurzes Stocken mißverstanden.
    „Bist du überrascht,

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