Gast im Weltraum

werden das einzige Landschaftsbild für unsere Augen, dieser Wind wird die einzige Luft für unsere Lungen sein. Du hast recht, das alles ist für unsere Begriffe ärmlich, eng, beklemmend, aber doch ein Stückchen Erde. Die Gea ist kein Raumschiff, sondern ein Stück deines Lebens, Doktor, dein Land, deine Heimat für lange Zeit.“
    Er verstummte. Nach einer Pause fuhr er fort: „So muß es sein, und so wird es sein, sonst wird dir alles sehr schwer werden – sehr schwer. Sollten dich meine Worte erschreckt haben, dann wirst du es mir kaum sagen. Du wirst auch nicht auf die Teilnahme an dieser Reise in den Weltraum verzichten, du würdest es ganz einfach nicht fertigbringen. Deshalb wird es auch von dir abhängen, ob dieser Flug oder vielmehr dieses Leben größte Freiheit oder bitterste Notwendigkeit für dich sein wird. Das war alles, was ich dir sagen wollte. Die fünfzehn Minuten sind noch nicht einmal um. Ich habe mit dir über all das gesprochen, was… Soll ich weitersprechen, oder wünschst du, daß ich zum Teufel gehe?“
    „Sprich ruhig weiter, Yrjöla.“
    „Siehst du… so ungefähr kann ich mir schon denken, weshalb du allein gekommen bist. Du liebst es, zu wählen, du möchtest immer gleich zwei Möglichkeiten dort haben, wo nur Raum für eine ist… Nun wirst du wohl furchtbar auf mich schimpfen, was?“
    „Keineswegs.“
    „Das ist schön. Hör mal____du hast doch Mehilla besiegt?“
    „Was hat das…?“
    „Doch, doch! Du hast bisher alle besiegt, nicht wahr?“
    „Ja.“
    „Gib mir einmal die Hand.“
    Ich reichte sie ihm. Er zog mich rückwärts. Der Felsen, auf dem wir saßen, berührte hier den nächsten. Als ich hochschaute, sah ich eine riesige Gesteinshalde, die sich bis an den höchsten Grat erstreckte. Wie eine silberne Schlange glänzte der Bach, der sich zwischen den Felsen wand. Yrjöla näherte seine Hand dem nächsten Stein. Ich erwartete, die rauhe Oberfläche zu berühren, aber meine Finger glitten hindurch wie durch Luft und trafen auf glattes, kaltes Metall. Ich begriff: Hier verlief die Grenze des Gartens, hier endeten die echten Bäume und Felsen, hier begann ihre durch die Videoplastik hervorgezauberte Fortsetzung, die weiten Wälder, der wolkenbedeckte Himmel, die Berge über uns – kurz, alles.
    „Und der Bach?“ fragte ich und zeigte auf das lichte, glitzernde Wasser, das von dem Berg herabströmte und das der Anfang des schäumenden, sprudelnden, wirbelnden Baches unter uns zu sein schien.
    „Der unter uns ist der natürlichste Bach der Welt, du kannst in ihm baden, soviel du willst“, erwiderte Yrjöla, „und der dort oben – nun, ich zitiere deine eigenen Worte: Er ist eine hervorragende Täuschung.“
    Er ließ meine Hand los. Der Anblick war recht eigenartig. Mein Unterarm steckte bis zum Ellbogen in einem Stein, der faktisch nicht existierte. Der Blick führte den Tastsinn in die Irre. Ich zog die Hand zurück. Nun war die Täuschung wieder vollkommen.
    Als wir den Park verließen, wandte ich mich an den Ingenieur: „Woher kennst du mich eigentlich so gut?“
    „Ich kenne dich überhaupt nicht“, antwortete er. „Das, was ich dir eben sagte, habe ich mir vor kurzem selbst gesagt.“
    „Und doch weißt du von mir…“
    Yrjölas- Lächeln bewog mich, den Satz nicht zu beenden.
    „Ich weiß manches über dich; aber das ist etwas ganz anderes. Ich muß es wissen. Ich bin der Herr über die Maschinen der Gea und der Gefährte der Menschen, denen sie dienen.“
    „Du hast vorhin vom Laufen gesprochen. Kann man denn hier diesen Sport betreiben?“
    „Und ob! Rings um den Park führt eine Schlackenbahn, wie du kaum eine bessere findest. Wir werden laufen… Vielleicht besiegst du auch mich, obwohl das nicht ganz sicher ist; denn meine Stärke sind kurze Distanzen, drei und fünf Kilometer.“
    Er blickte mich an, lächelte schalkhaft und fügte hinzu: „Du wirst auch mich besiegen, wenn dir sehr viel daran liegt.“
    Wir schwiegen. Erst als wir im ersten Stockwerk den Aufzug verließen, wandte sich Yrjöla nochmals an mich: „Das alles sind Worte, nicht mehr. Wir sagen: Es wird schwer sein. Sind wir uns aber völlig klar, was das bedeutet? Wir sind durch unsere Zivilisation zu sehr verweichlicht, wir sind wie Treibhauserdbeeren, rund, dick und rot, aber nicht genügend abgehärtet, nicht im Teufelsqualm dieser Hölle geräuchert!“
    Was er nur immer mit den Teufeln hat? dachte ich und entgegnete: „Na, so verweichlicht sind wir nun wieder nicht,