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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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„Wir kennen uns bereits vom Sehen.“
    Ich reichte ihm die Hand, die er kräftig drückte. Dann löste er behutsam die Finger und berührte meine Handfläche. „Du bist Ruderer?“ fragte er und lächelte noch herzlicher und offener.
    Ich nickte.
    „Damit sieht es bei uns schlecht aus. Aber du läufst doch auch, Doktor, nicht wahr?“
    Dieses sportliche Interview begann mich zu amüsieren. „Gewiß“, bestätigte ich. „Aber ich fürchte, daß ich dazu wohl kaum die Möglichkeit haben werde.“ Ich wies mit der Hand auf die Glasplatte. „Dort ist doch nichts, nicht wahr?“
    „Wieso denn? Das ist ein richtiger Garten… na, etwas kleiner vielleicht, als er von hier aussieht…“
    Er lächelte wieder. Seine leuchtenden Augen, das schmale Gesicht und das spröde rote Haar hatten etwas Anziehendes. In seinen Zügen lag viel schalkhafter, vielleicht auch schlauer Humor.
    Er blickte mich an und blinzelte, als dächte er über die wenigen Worte nach, die ich bis jetzt gesprochen hatte. „Doktor“, sagte er dann, „die Gea ist eine verteufelt große und komplizierte Angelegenheit, und unsere Reise ist noch viel komplizierter. Weißt du was? Widme mir fünfzehn Minuten, bevor du dein Reich übernimmst. Einverstanden?“
    Diese Einleitung überraschte mich. Ich nickte zustimmend. Er faßte mich unter und führte mich zu der nächsten Tür. Gleich darauf glitten wir im Fahrstuhl wieder in die Tiefe. Ich zählte die Stockwerke. Der Lift hielt in der ersten Etage. Die Tür öffnete sich. Vor uns hing in tiefem Halbdunkel ein dichtes Blattgewirr. Kies knirschte unter unseren Sohlen, frischer Tannenduft schlug uns entgegen. Nach einigen Dutzend Schritten schaute ich mich um und blieb verwundert stehen. Eine Gebirgslandschaft breitete sich nach allen Seiten aus, so weit mein Blick reichte. Von dichten Wäldern bedeckte Höhenzüge erstreckten sich bis an den Horizont hin, wo sich die bläulichen Hänge der ausgedehnten Waldungen ineinanderschoben und verschwammen. Malerische weiße Kreidefelsen ragten da und dort hoch über die Wipfel.
    „Eine ausgezeichnete Täuschung“, entfuhr es mir. Yrjöla sah mich mißmutig von der Seite an.
    „Warte, komm weiter“, sagte er. „Du hast mir fünfzehn Minuten Zeit gegeben.“
    Wir überquerten einen sanft geneigten Wiesenhang. Dann versperrten uns blühende Fliederbüsche den Weg. Mein Führer drang, ohne zu zögern, in dieses Dickicht ein, ich folgte ihm. Das Gebüsch endete am felsigen Ufer eines schäumenden Baches. Yrjöla sprang mit einem Satz hinüber, ich tat das gleiche. Nun erklomm der Ingenieur ohne sichtbare Anstrengung einen hohen Felsen und lud mich durch eine Handbewegung ein, neben ihm Platz zu nehmen.
    Eine Zeitlang schwiegen wir beide. Der Wind schien hier kräftiger zu sein. Sein Harzduft verstärkte die Kühle, die von dem Bach unter unseren Füßen auf stieg. Am anderen Ufer ragten in einer Biegung hohe, düstere nordländische Kiefern und etwas weiter bachabwärts eine riesige kanadische Fichte mit silberblauen Nadeln zum – Himmel auf. Die Wurzeln wanden sich wie dicke Schlangen um das Gestein und verschwanden in den Felsspalten. Am liebsten hätte ich Yrjöla gefragt, ob auch das Täuschung sei. Die ganze Zeit über bemühte ich mich, die Stelle zu finden, wo der echte Park in die videoplastische Illusion überging, die durch eine geschickt verborgene Apparatur erzeugt wurde. Aber ich vermochte nicht die geringste Spur eines solchen Überganges zu entdecken. Die Täuschung war vollkommen.
    „Doktor“ sagte Yrjöla schließlich leise, „ich weiß nicht, ob du gehört hast, daß ich einer der Konstrukteure der Gea bin. Bitte, glaube nicht, daß sie nur ein gut durchdachtes und projektiertes Zusammenspiel von Maschinen ist. Als wir ihre künftigen Formen entwarfen, ihre unentbehrlichen und nützlichen Einrichtungen konstruierten, da planten wir nicht nur das, was unbedingt notwendig ist. Wir dachten auch daran, daß die Gea außer uns selbst das einzige Teilchen Erde sein wird, das wir mitnehmen.“
    Ich mußte genau hinhören, denn Yrjöla sprach sehr leise. Die Windstöße und das Plätschern des Wassers verschlangen manche seiner Worte.
    „Die Gea ist kein gewöhnliches Raumschiff. Dein Blick wird jedesmal, wenn du erwachst, in gesunden und kranken Tagen, in den Ruhepausen und während der Arbeit, bei Tag und Nacht auf seine Wände treffen. So wird es viele Jahre lang sein. Diese Maschinen, diese Metallwände, das Wasser, die Felsen, die Bäume

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