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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Astrogator fort, der mein Schweigen mißverstanden hatte. Ich versicherte ihm, daß mir die Wohnung sehr gut gefalle.
    Anna Ruys hatte plötzlich Appetit auf Palmwein bekommen, den sie von den malaiischen Inseln her kannte, auf denen sie längere Zeit gelebt hatte. Sie forderte mich auf, ihn zu versuchen. Der Automat verschwand, kehrte nach kurzer Zeit zurück und zauberte zwei Flaschen Palmwein auf den Tisch.
    Aus dem Strom der Leute, der durch den Haupteingang in den Saal flutete, lösten sich drei Menschen und steuerten auf unseren Tisch zu. Es waren Yrjöla, ein ungefähr vierzehnjähriger Junge und eine dunkelhaarige Frau mittleren Alters. Je näher sie kam, desto jünger schien sie zu sein. Endlich erkannte ich sie: Es war die berühmte Bildhauerin Soledad.
    Als der Junge unseren Tisch erreichte, machte er eine energische Verbeugung. Yrjöla stellte ihn vor: „Das ist mein Sohn Nils, Doktor.“
    Sie nahmen Platz. Nils musterte mich prüfend und aufmerksam. Anscheinend hatte er die Gewohnheit, seine Nachbarn mit seinen Blicken zu durchbohren, als stellten sie ein Rätsel für ihn dar, das unverzüglich eine Lösung verlangte. Die Bildhauerin, die neben ihm saß, sah in gewissen Augenblicken beinahe wie seine gleichaltrige Kameradin aus. In ihrem kleinen Gesicht fielen anfangs nur die vollen, dunkelroten Lippen und die blitzenden weißen Zähne auf. Die Augen hatte sie meistens halb geschlossen. Ihre bloßen Schultern waren mager wie die eines jungen Mädchens; ihr Händedruck aber war kräftig, ja beinahe hart gewesen. Ein schmales Band hielt die nach hinten gekämmten Haare zusammen. Sie schüttelte sie manchmal ungeduldig, unwillig, als wäre ihr dieses Attribut der Fraulichkeit eine Last, von der sie sich am liebsten befreit hätte.
    Das Mittagessen versprach allerhand. Auf der rubinrot umrahmten Speisenkarte leuchtete eine Unmenge von Gerichten, die Weinkarte erinnerte an ein altertümliches Buch, in dem man stundenlang lesen konnte. Auf dem Tisch standen zahlreiche goldene, blaue und grüne Gefäße, Schälchen, Schüsseln, Teller und Gläser, und ich wunderte mich, daß all das auf der verhältnismäßig kleinen sechseckigen Tischplatte Platz fand. Anna Ruys aß mit gutem Appetit. Sie machte bei jedem Bissen runde Augen. Als der Braten aufgetragen wurde, blickte sie prüfend in den nächsten Spiegel und ordnete mit einer den Frauen wohl seit undenklichen Zeiten eigenen Bewegung das Haar. Das Gespräch kam beim Essen nicht recht in Fluß, da die Vielzahl und das komplizierte Durcheinander der gereichten Speisen die Aufmerksamkeit voll in Anspruch nahm. In dem Gold und dem Kristall der Gedecke spielten kleine Lichter.
    Der Luxus dieser Mittagstafel überraschte mich, ich wurde sogar ungeduldig, schwieg aber, da ich mich den Sitten und Gebräuchen an Bord der Gea anpassen zu müssen glaubte. Ter Haar war der erste, der es nicht länger aushielt.
    „Uff!“ rief er. „Das ist zuviel des Guten! Das ist ja eine Quälerei!“
    Wir lachten alle hellauf. Plötzlich waren wir freier, ungezwungener, persönlicher. Nun wagten Anna und ich, dem Automaten einen ablehnenden Bescheid zu geben, als er uns noch eine Speise servieren wollte. Wir unterhielten uns bald angeregt über die Bewässerung der Marswüsten. Nur die Bildhauerin war die ganze Zeit hindurch wie abwesend. Zweimal war ihr die Gabel aus der Hand geglitten. Sie bückte sich, tastete auf gut Glück unter dem Tisch herum, brachte alle Gedecke in Gefahr, tauchte schließlich verlegen wieder auf und war erstaunt, daß der Automat beide Male schneller gewesen war, die Folgen ihrer Zerstreutheit bereits beseitigt und ihr ein neues Besteck neben den Teller gelegt hatte. Als zum Abschluß gefrorenes Apfelsinenmus gereicht wurde, schien sie zu erwachen. Alle verstummten, als Soledad ihre mit langen, dunklen Wimpern besetzten Lider hob und den Automaten fragte: „Kann ich ein altbackenes Brötchen haben?“ Sie zerbröckelte es, tauchte die Stückchen in den Eisbecher und pickte diese Krümchen auf wie ein Vogel.
    Ter Haar neigte sich zu mir herüber und flüsterte vertraulich: „Wie gefällt dir denn die Freske dort an der Wand?“
    Er zeigte mit der Gabel auf das Bild. Die Malerei stellte die Straße einer mittelalterlichen Stadt dar. Zu beiden Seiten erhoben sich komische Häuser mit Fenstern, die durch Kreuze in kleine Scheiben aufgeteilt waren. Die spitzen Dächer sahen aus wie Narrenkappen. Menschen gingen auf den Fußsteigen entlang, in der . Mitte der

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