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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ich ausgestiegen und ein paar Schritte weit gegangen – in der Nähe war kein Mensch zu sehen –, da trug mich eine Rolltreppe empor.
    Bevor ich den höchsten Treppenabsatz erreichte, trat ich auf einen starren Vorsprung, eine kleine Galerie hinaus. Von hier überblickte ich den ganzen Güterflugplatz, der sich ungefähr drei Stockwerke tief unter mir ausbreitete. Zwischen matten Stahlbändern schritten, polterten, surrten und fauchten Entladekräne und andere Hilfsmaschinen auf ihren stählernen Beinen mit schleifenden Entenschritten über die Entladebrücken, die sich über die Raketen spannten.
    Die runden Einflugklappen Öffneten und schlossen sich ununterbrochen wie die Mäuler rasch atmender Fische. Raketen schossen aus den Tunnels hervor und entledigten sich ihrer Lasten, die auf endlosen Förderbändern in die Laderäume rollten.
    In der Tiefe der Halle flammten an der Wand gelbe, rote und grüne Signale auf. Ein dumpfes, eintöniges Brausen erfüllte den ganzen Raum; dank den Geräuschdämpfern, deren Schneckengehäuse aus den Pfeilern und aus der Decke ragten, war es verhältnismäßig leise.
    Ich ging zu einem der Aufzüge. An der Wand hing das Mikrophon des Informators. Ich erkundigte mich nach dem Ingenieur Yrjöla, dem technischen Leiter der Expedition. Er war auf dem neunten Verdeck. Ich fuhr hinauf. Die senkrechten Wände des Schachtes bestanden aus durchsichtigem Email. Bei meiner Fahrt nach oben sah ich zwar die Liftkabinen, die in den Nachbarschächten abwärtsglitten; aber die Menschen, die sich in ihnen befanden, waren von einer milchigen Aureole umgeben und fuhren zu rasch vorbei, als daß ich sie hätte erkennen können. Da erschien im Nebenschacht ein Schnellaufzug, der meinen Fahrstuhl überholte. Zwei Männer standen in ihm. Der eine kehrte mir den Rücken zu, aber die Gestalt und das Gesicht des anderen sah ich deutlich. Seine Züge und seine Haltung waren zu einer Geste erstarrt, die ich in diesem Augenblick nicht zu deuten vermochte. Die Kabine war längst verschwunden, aber vor meinen Augen war noch immer das Bild dieses Menschen. Goobar war es, ein Mitglied unserer Expedition, der berühmteste Gelehrte unserer Zeit.
    Mein Fahrstuhl hielt. Ich trat in einen geräumigen Korridor. Die eigenartige Begegnung mit dem bedeutendsten Menschen unseres Planeten hatte mich etwas erregt. Vielleicht wollte ich aus diesem Grunde den Ingenieur nicht gleich auf suchen. Linker Hand befanden sich in regelmäßigen Abständen von einigen Metern Türen, rechts bildete, so weit das Auge reichte, eine Glastafel die Wand. Ein Lichtschein wie von einem wolkenverhangenen Himmel fiel durch diese Glaswand auf den breiten Gang.
    Als ich langsam weiterging, merkte ich, daß sich die Intensität des Lichts änderte. Einmal wurde es heller, dann wieder dunkler. An was ich alles dachte, als ich durch den Korridor schlenderte, ist schwer zu sagen. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, am Rande eines Waldes zu sein.
    Eine lächerliche Sinnestäuschung, dachte ich. Dann näherte ich mich der Glaswand. Unter mir dehnte sich ein riesiger Park. Ich sah über die Wipfel von Eichen und Buchen hinweg, deren Zweige träge im Winde schaukelten. Ich erblickte saftiggrüne Rasenflächen zwischen lebenden Zäunen, Blumenrabatten, gewundene Wege und kleine Seen, in denen sich der blaue Himmel und die ziehenden Wolken spiegelten. Das helle, sonnenbeschienene, beinahe blaßgelbe Grün des Jungholzes, das hier und da von lichten Blößen unterbrochen wurde, verschmolz in der Ferne mit dem Dunkel einzelner Fichtengruppen. Diese Waldlandschaft erstreckte sich bis an den von grauweißen Wolken verhangenen Horizont. Ich preßte die Stirn an die Glasplatte und gewahrte nun unter mir, parallel zu dem Korridor, schwarzblaue Felsen und einen schäumenden Bach, der an ihnen entlangplätscherte und hinter einer Gruppe Zypressen, die sich auf Trümmern gesprenkelten Porphyrs drängten, verschwand. Meine anfängliche Verblüffung wich der Erkenntnis: ein videoplastisches Panorama.
    In diesem Augenblick legte mir jemand die Hand auf die Schulter. Neben mir stand ein großer, hagerer, etwas vornübergebeugter Mann mit dunkelrotem, sprödem Haar, das dicht am Kopf anlag. Sein schmales Gesicht wirkte jugendlich. Der Mund war breit, mit dünnen, fest geschlossenen Lippen. Er lächelte. Dabei zeigten sich eine Unzahl von Fältchen auf seinen Wangen und ein gesundes, starkes, weißes Gebiß.
    „Mein Name ist Yrjöla, Konstrukteur“, stellte er sich vor.

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