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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Doktor, eine junge Kollegin vorzufinden?“
    „Nein, durchaus nicht… nein, wirklich nicht…“‚ stotterte ich und verbarg meine Verwirrung hinter einem Lächeln.
    Wir schwiegen eine Zeitlang. „Vorderhand haben wir nichts zu tun, nicht wahr?“ fragte ich endlich.
    „Nein“, antwortete sie, ein wenig unsicher, schüchtern, mädchenhaft. Sie trat an ein Bett heran und strich gedankenlos eine Falte glatt, die gar nicht vorhanden war.
    „Wir können eigentlich nur wünschen, daß es immer so bleibt“, murmelte ich, verstummte aufs neue und lauschte in die tiefe Stille, die im ganzen Schiff zu herrschen schien. Ich dachte dabei an die Flughalle, die voll Leben, Bewegung und Lärm war. Die vollständige Ruhe hatten wir also lediglich der guten Schallisolierung zu verdanken.
    „Der Leiter des Krankenhauses ist Professor Schrey, nicht wahr?“ erkundigte ich mich, nur um etwas zu sagen.
    „Ja“, antwortete meine Kollegin rasch. Sie schien froh zu sein, endlich ein Gesprächsthema gefunden zu haben. „Er ist aber nicht an Bord. Er ist auf die Erde geflogen und kommt erst heute abend zurück. Ich habe vor kurzem mit ihm gesprochen.“
    Da drang ein feiner Ton zu uns, wie das Zusammenklingen zweier Kristallgläser. Er schien aus großer Höhe zu kommen und verhallte im Raum. „Mittagessen!“ rief Anna Ruys erfreut. Nun wußte ich, weshalb sie vorhin erwartungsvoll gelauscht hatte. Anscheinend langweilt sie sich schon jetzt, dachte ich. Sie führte mich durch ein Labyrinth von Gängen, denn sie war seit einer Woche auf der Gea.
    Eine breite Rolltreppe trug uns über die Glaskuppel des Parkes. Ich sah nur, daß sein „Himmel“, wenn man von oben herabblickte, klar und. durchsichtig war. Unter uns breiteten sich die bewaldeten Bergketten aus. Ich hatte den Eindruck, als glitten wir in einem tieffliegenden Flugzeug über sie hinweg.
    Im Vorraum des Speisesaals entdeckte ich ein bekanntes Gesicht. Ter Haar, der berühmte Historiker, war es, den ich vor ein paar Wochen flüchtig kennengelernt hatte. Die Begegnung war mir, weil sie mit einem komischen Ereignis zusammenhing, im Gedächtnis haftengeblieben. Auf einem Empfang bei Professor Murach hatte Ter Haar das siebenjährige Töchterchen eines der Gäste als Tischnachbarin. Er bemühte sich, sie zu unterhalten, erreichte aber nur, daß die Kleine auf einmal herzzerbrechend zu schluchzen begann. Die Mutter mußte sie hinausbringen. Wie sich später herausstellte, hatte der Historiker der Kleinen erzählt, daß die Menschen früher Tiere töteten, um sie zu essen. Als wir später im Garten zufällig ins Gespräch kamen, erzählte er mir todernst und mit entwaffnender Offenheit, daß er Kindern gegenüber stets befangen sei. „Wenn ich mich fünf Minuten lang mit einem Kind unterhalte“, erklärte er, noch immer ganz verwirrt, „dann fange ich an zu schwitzen. Ich suche krampfhaft nach einem interessanten Thema, und das Ergebnis ist jedesmal das gleiche wie heute…“
    Nun mußte ich beim Anblick seiner Bärengestalt lächeln. Mir kam es vor, als wäre ich einem alten Bekannten begegnet. Auch er erkannte mich gleich und nötigte Anna und mich, an seinem Tisch Platz zu nehmen, an dem bereits ein hochgewachsener Mann saß – Ter Akonian, der Leiter der Expedition.
    Während der Automat, der uns bediente, aus seinem kristallenen Innern die vorgewärmten Speisen nahm und geschickt auf die Teller verteilte, betrachtete ich über das blitzende, funkelnde Gedeck hinweg neugierig den schon ergrauten Astrogator. Sein Kopf war groß und kantig. Das schwarze Haar seines gestutzten Bartes schimmerte bläulich wie eine gehärtete Stahlklinge. Vielleicht stammte daher sein Beiname „der stählerne Astrogator“. Der Saal füllte sich. Die zitronengelben, von mattsilbemen Leisten eingerahmten Wände waren mit Bildern geschmückt, die Szenen aus dem Leben mittelalterlicher Städte darstellten. Die Decke sah aus, als wäre sie aus einem riesigen Eisblock geschnitzt. Das leicht flackernde Licht der Kerzen auf den Tischen brach sich in den diamantenen Rosetten und überflutete uns mit einem unruhigen, stets wechselnden Glanz.
    Ter Akonian erkundigte sich, ob ich mit meiner Wohnung zufrieden sei. Er hob den Kopf, und in seinem Gesicht, das mich unwillkürlich an die düsteren Berge des Kaukasus, seine Heimat, erinnerte, leuchteten ganz unerwartet kindlich blaue Augen.
    „Wenn du die Wohnung verändern willst, stehen dir unsere Architekten jederzeit zur Verfügung“, fuhr der

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