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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Heliumwasserstoffreaktoren und die Rückstoßsysteme in Bewegung, und die vielen tausend Leitungen im Modell der Gea erstrahlten in immer hellerem Glanz.
    Goobar, dessen dunkle Silhouette sich deutlich gegen den sternübersäten Himmel abhob, stieg langsam die drei Stufen herunter, trat zur Seite und hüstelte, als wollte er sagen: Was habe ich denn da angerichtet? Als die Lichter an den Seitenwänden wieder aufleuchteten, sahen sich alle vergeblich nach dem Professor um. Der berühmte Gelehrte war verschwunden: Er war mit dem ersten besten Fahrstuhl in seine Arbeitsräume zurückgekehrt.
    Inzwischen hatten Yrjöla und Ter Akonian ihre Plätze am Schaltpult eingenommen. Die Gea hatte ohne die geringste Erschütterung ihre Bahn verlassen, auf der sie seit ihrem Entstehen gehorsam um die Erde gekreist war, und strebte nun gegen die Kräfte der Gravitation in den Raum hinaus. Wie das Modell zeigte, war einstweilen nur das axiale Rückstoßsystem tätig, aus dessen Düsen ein gleichmäßiger Strom von Atomgasen strömte. Das Raumschiff bewegte sich im Raum. Gewiß konnte man diese Bewegungen vom Promenadendeck aus besser beobachten; ich begab mich deshalb zum nächsten Aufzug. Der Andrang bewies, daß ich nicht allein auf diese Idee gekommen war. Anfangs schien es, als befänden sich in der Galerie nur wenige Menschen. Dieser Eindruck wurde durch die Weitläufigkeit der beiden Promenadendecks hervorgerufen, deren jedes 550 Meter lang war. Wenn sich alle Menschen an Bord in einer Reihe aufgestellt hätten, dann hätte trotzdem der Abstand von einem zum anderen fünf Meter betragen.
    Die Gea steigerte ihre Geschwindigkeit, beschrieb Kreise nach rechts und nach links, erhob sich, ließ sich tiefer gleiten, dann wieder flog sie in einer Spirale, die immer enger wurde.
    Alle diese Bewegungen, die zum Teil fließend, zum Teil in scharfen Wendungen ausgeführt wurden, waren kaum spürbar. Nur der Himmel kreiste und drehte sich eigentümlich und mitunter so schnell, daß sich die Sterne in leuchtende Wirbel verwandelten, zwischen denen der quecksilberfarbene Mond und die blauschimmernde Erde wie brennende Segel flatterten. Nach wenigen Minuten brauste mir der Kopf von all diesen „Stemfontänen“ und „Sternfällen“. Ich setzte mich daher mit dem Rücken zu diesem Schauspiel auf eine Bank und schloß die Augen. Als ich sie wieder öffnete, war der Himmel völlig unbeweglich. Das wunderte mich; denn ich spürte die Schwerkraft, also rotierte das Schiff nach wie vor um seine Längsachse. Ich fragte den Ingenieur Uteneut, der gerade vorüberkam, und er erklärte mir, die Gea drehe sich zwar, aber die „Augen“ der Fernsehgeräte wirbelten in der entgegengesetzten Richtung und riefen so den Eindruck hervor, daß wir uns im Hinblick auf den umgebenden Raum und auf die Sterne nicht bewegten.
    „Wir sehen also den Himmel nicht direkt durch diese Glaswand? Ich habe bisher immer geglaubt, es sei wirklich ein großes Fenster“, antwortete ich ein wenig enttäuscht.
    Da ertönten von allen Seiten erstaunte, bewundernde Rufe, die mich veranlaßten, aufzustehen und in die nachtschwärze Tiefe zu blicken. Fast genau lotrecht unter uns schimmerten kleine rote und grüne Lichter. Zwischen ihnen bewegten sich rasch und wendig zierliche Gebilde, wie silberne Fische in schwarzem Wasser. Wir überflogen gerade den Park der Jugend. Absichtlich oder zufällig hielt die Gea an und senkte sich langsam tiefer. Die Erde befand sich hinter uns, so daß ihr Glanz nicht störte. Ungehindert konnten wir das Bild betrachten, das sich uns bot.
    Mit einer gewissen Rührung sah ich das im Raum schwebende Modell unseres Sonnensystems, das mir seit Kindheitstagen vertraut war. Die Sonne war eine große, golden glänzende Kugel, um die in nächster Entfernung der vulkanische Merkur kreiste. Dann kamen die schneeweiße Venus, die Erde und der apfelsinenfarbene Mars. In weiten Abständen von ihnen bewegten sich langsam die Modelle der großen Planeten Jupiter und Saturn und in eisiger Dunkelheit die anderen vier Begleiter der Sonne: Uranus, Neptun, Pluto und Cerberus. Vor allem über die „Hauptallee“ dieses einzigartigen Kulturparks, die durch unzählige Lichtbogen gekennzeichnet war, glitten zahlreiche Raumomnibusse mit Schulklassen an Bord. Mit gedrosselten Motoren, von den automatischen Steuervorrichtungen sicher gelenkt, schwammen die kleinen Raumschiffe gehorsam durch die Kanäle, die von langen, richtungweisenden Lichterketten eingefaßt waren,

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