Gast im Weltraum

wo eine helle, sanft geschwungene Säule aus den Fliesen des Fußbodens emporwächst. Von welcher Seite man sie auch betrachtet, immer scheint sie aus der Bewegung in Ruhe überzugehen. Etwas von dem Lichtsuchen eines Pflanzenschößlings ist in ihr und zugleich die lebendige Bewegung eines sich aufrichtenden Menschen; in ihrer Geschmeidigkeit gleicht sie einem Mädchenkörper. An dem steinernen Türrahmen glänzt in einfachen goldenen Lettern die Inschrift: Auf dem Weg zu den Sternen.
    Ter Akonian erwartete mich in einem großen Raum, der als Sitzungssaal diente. Wie vom Wind zerzaust, in wilder Flucht, in der ganzen Skala des Welkens, trieben herbstliche Blätter an den Wänden entlang. Sogar die Luft schien mir mit dieser herbstlichen Atmosphäre, die alle Tönungen von Gold und Bronze, vergilbendem Purpur und Scharlachrot ausströmte, getränkt zu sein. In den vier Ecken des saalartigen Raumes befanden sich hohe Nischen. Schlanke Automaten standen dort. In ihrem zum Teil durchsichtigen Innern blinkte die elektrische Zirkulation so gemächlich, als hätten diese Geschöpfe aus Kristall und Beryll keine andere Aufgabe und Beschäftigung, als über ihr eigenes Geschick nachzudenken. Ich mußte deshalb unwillkürlich lächeln, als diese priesterlich würdevollen Mechanismen später ihre Plätze verließen und Kaffee servierten. An der Stirnwand hing eine große Uhr. An Stelle der Ziffern blitzten die aus Silber geschmiedeten zwölf Tierkreiszeichen auf dem schwarzen Zifferblatt. Als ich eintrat, beugte sich der Chefastrogator gerade über eine Sternkarte. Hinter seinem Sessel ragten auf zehn Postamenten die Büsten berühmter Kosmonautiker der Vergangenheit. Ich kannte ihre Gesichter von der Schule her. Als ich nach der Begrüßung Platz genommen hatte, fragte mich Ter Akonian: „Nun, wie gefällt es dir bei mir?“
    „Sehr gut. Aber wohnen möchte ich trotzdem nicht hier.“Er lächelte. „Wenn das die arme Nonna gehört hätte“, sagte er und fügte hinzu: „Ich wohne nicht hier. Das ist so eine Art offizielles Empfangszimmer. Mein Arbeitsraum ist dort.“ Er zeigte auf eine Seitentür. Als ich mich umwandte, glitt mein Blick über die Reihe steinerner Gesichter, und mir fiel auf, daß sie alle einen gemeinsamen Zug hatten. Die Augen schienen, obwohl sie von hellem Licht umspielt waren, in das Dunkel zu schauen, als existierten die Wände dieses Raumes und unseres Schiffes nicht für sie. An der granitenen Fläche der Gesichter schien der unermeßliche Abgrund des Alls zu beginnen, als wären sie eins mit den Sternen. Ter Akonian hatte mich wohl beobachtet; denn er fragte lächelnd: „Du betrachtest meine Berater?“
    Die Richtigkeit dieser Bemerkung überraschte mich. „Du wirst dich hier kaum einmal allein fühlen“, antwortete ich.
    Er nickte leicht mit dem Kopf, stand auf und trat auf die nächste Büste zu.
    „Das ist Uldar Tog, der Mann, der als erster Mensch auf dem Saturn landete, nicht wahr?“ fragte ich.
    „Ja. Er war ein Sohn des dreiundzwanzigsten Jahrhunderts, ein Baumeister und Steuermann von Raketen in einer Person. Kennst du seine Geschichte?“ „Ich erinnere mich nicht mehr genau. Ich glaube, er ist von seiner letzten Expedition nicht zurückgekehrt.“
    „Stimmt. Für die damalige Zeit war er schon sehr alt – achtundneunzig Jahre. Er starb am Steuer der Rakete, als wäre er vor den Steuerhebeln eingeschlafen. Uldar Tog wollte nicht auf der Erde begraben sein, deshalb wurde er im Raum beigesetzt. Irgendwo kreist noch heute die Rakete, die seinen Körper einschließt.“
    Die Worte „im Raum“ berührten mich eigenartig. Die Eroberer des Sonnensystems bezeichneten die interplanetare Leere einfach als Raum. Ich empfand die gleiche Gemütsbewegung wie in meinen Jugendjahren, als ich mit brennenden Augen die kosmonautischen Erzählungen, Berichte und Chroniken verschlang. „Wenn man bedenkt, daß wir heute über den gleichen Raum hinweg unseren Bekannten auf der Erde Fernsehbesuche abstatten können …“
    „Bis jetzt – ja“, unterbrach mich Ter Akonian. „Aber die Verzögerung des Empfangs, durch die Entfernung bedingt, macht sich bereits bemerkbar. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“
    „Doch. Ich habe gestern meinen Vater angerufen. Wir saßen einander gegenüber, wie wir beide. Ich zog es vor, zu schweigen, denn so ist der Eindruck, daß man einander nahe ist, stärker.“
    Der Astrogator blickte auf die vor ihm liegende Himmelskarte. „In diesem Moment beträgt die