Gast im Weltraum
glaubte, den Geruch des Ammoniaks zu spüren“, sagte Anna. „Und als die Rakete auf den Saturn stürzte, schloß ich die Augen. Ich habe genug von diesen exotischen Sachen. Von heute an gehe ich nur noch in Vorstellungen, die auf der Erde spielen.“
„Schon jetzt?“ fragte ich lächelnd.
„Jetzt und immer“, antwortete sie und sah mich ernst an. Ich verabschiedete mich von ihr und blieb allein in dem leeren Wandelgang. Ohne es zu merken, stand ich auf einmal vor dem silbernen Vorhang, der den Zugang zum Promenadendeck verbarg. Ich überlegte, ob es nicht besser wäre‚ schlafen zu gehen; aber schließlich dachte ich, es könnte mir nicht schaden, nach diesem bewegten Tag noch ein wenig auf und ab zu wandeln und in die Sterne zu schauen. Ich empfand einen eigentümlichen Widerwillen gegen ihren Anblick, und gerade deshalb wollte ich mich dazu zwingen, um nicht den Verdacht in mir aufkeimen zu lassen, daß ich sie fürchtete. Das Dunkel, das auf dem Promenadendeck herrschte, wurde bald von einem Licht abgelöst, das von hellem Silberglanz in bläuliches Leuchten überging. Anscheinend wirbelten die „Augen“ der Fernsehgeräte nicht in entgegengesetzter Richtungum die Längsachse der Gea. Ich schritt von einem Ende des Decks zum anderen. Niemand begegnete mir. Das hatte seinen guten Grund, denn es war kurz vor Mitternacht. Plötzlich entdeckte ich doch einen Schatten an der Glaswand und blieb etwas entfernt von ihm stehen. Gerade an der Stelle, wo der einsame Mensch stand, tauchte der Mond auf und stieg rasch höher. Die Silhouette des Unbekannten hob sich scharf von der hellen Scheibe ab – zuerst die Beine, dann der Rumpf, schließlich der Kopf. Das Licht des vollen Mondes umgab ihn wie mit einer Aureole. Infolge der Kreiselbewegung der Gea glitt der Mond immer höher und umflutete mit seinem starken, bleichen, gespenstischen Licht die ganze Gestalt dieses Menschen. Nun erkannte ich ihn. Goobar war es. Er blickte in die Sterne.
Der Gast aus dem Raum
Der Start in den Weltraum erfolgte einige Tage später. Die Gea umkreiste noch fünfmal die Erde. In dieser Zeit schlossen sich ihr zahlreiche große und kleine Raumschiffe an, die sie als Ehreneskorte bis zur Marsbahn, das heißt mehr als siebzig Millionen Kilometer weit, begleiten sollten. Für diesen Teil des Weges und die gesamte Flugstrecke durch das Sonnensystem brauchte die Gea verhältnismäßig viel Zeit, da sie in Anbetracht der Nähe der Planeten und anderer zahlreicher Himmelskörper, die um die Sonne kreisten, nicht die volle Reisegeschwindigkeit entwickeln konnte. Die sechshundert Raketen jeder Größe waren also in der Lage, uns ohne Mühe zu begleiten. Es war schwierig gewesen, diese Raumschiffgeschwader zu ordnen; aber die Astrogatoren hatten die Aufgabe glänzend gelöst. Auf einen Raum von vielleicht tausend Kilometer Ausdehnung verteilt, flogen vor uns die flachköpfigen Fahrgastraketen, umringt von einem Schwarm kleiner Raumschiffe, die bald aus ihren Mutterschiffen hervorschossen, bald zu ihnen zurückkehrten, um ihre Treibstoffbehälter zu füllen. Über und unter der Gea bildeten silbrigglitzernde Spindeln keilförmige Gruppen. Die Dunstfahnen der im Raum zerflatternden Atomgasflammen verschleierten die Sterne, die am nachtdunklen Hintergrund flimmerten. So weit das Auge reichte, sahen wir hinter uns die zahllosen anderen, die immer kleiner wurden. Die letzten verschluckte die nachtschwarze Tiefe. Nur manchmal, wenn diese weit auseinandergezogene Raumflotte der Bahn von Asteroiden oder einem Meteoritenschwarm auswich, blitzten die Panzer der Raketen auf, die von den Sonnenstrahlen getroffen wurden. Dann sprühten im Raum sekundenlang Funken, die ebenso rasch erloschen, wie sie aufgeglüht waren.
Unser Flug war nicht einfach. Wir mußten nicht nur den in den Sternkarten verzeichneten Meteoritenschwärmen und Asteroiden ausweichen, sondern auch die Zone meiden, in der Lastraketen, die Wasser auf den Mars brachten, ihre Bahn zogen. Wir überquerten dieses Gebiet in siebentausend Kilometer Höhe. Nur durch die Teleskope der Gea waren die Gebilde zu erkennen, die auf der durch Lichtbojen gekennzeichneten Bahn rasch dahinglitten.
Nach vier Stunden Flug kamen wir am Mond vorüber. Er kehrte uns die südliche Halbkugel zu. Die dort gelegenen Observatorien verabschiedeten sich von der Gea und ihren Insassen durch ein großartiges Feuerwerk. Zehntausende bunter Raketen stiegen von der Mondoberfläche auf. Noch eine Stunde später waren die
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