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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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öffnete weit die Augen. „Die Großhirnrinde ist am schwersten betroffen“, sagte er. „Entweder er verliert das Gedächtnis… oder er wird Epileptiker. Ist alles vorbereitet?“
    „Ja“, antworteten Anna und ich gleichzeitig.
    „Fangen wir an.“
    Als die Metallplatte, auf der der Bewußtlose lag, zum Operationstisch glitt, sagte Schrey, ohne uns beide anzusehen, als spräche er zu sich selbst: „Entweder das eine oder das andere…“
    Die Glasglocke, die den Operationstisch bedeckte, öffnete sich zur Hälfte. Der Verunglückte wurde von den weichen Armen des Automaten auf den Tisch geschoben und ruhte nun auf der schneeweißen, elastischen Platte, die dem Gewicht nachgab und sich den Körperformen genau anpaßte. Die Gewebe waren fast ganz blutleer; das Blut war in das Körperinnere geströmt. Unsere Injektionen hatten nicht viel geholfen; denn die Haut des Bewußtlosen war nur um einen Hauch gelblicher, aber ebenso fahl wie das weiße Porzellan der Tischränder. Die Glasglocke schloß sich. Gleichzeitig begann der Zeiger des Narkosegerätes zu zittern. Der komprimierte Sauerstoff zischte leise in den Leitungen. Weiche Klammern legten sich um die Arme und Beine des Piloten und verhinderten jede Bewegung. Der Operationstisch senkte und verschob sich, bis der Halter mit den chirurgischen Instrumenten genau über dem Kopf des Verletzten hing. Inzwischen war das Innere der Glasglocke erwärmt worden. Und wieder schoben sich Griffe mit Injektionsspritzen vor. Aus einer Nische ragte das Endstück des Bluttransfusionsapparates, ein schmaler Schlangenkopf mit spitzer, feiner Zunge, hervor, bereit, sich in die Armvenen des Piloten zu bohren.
    Schrey trat hinter die Scheidewand aus saphirblauer Masse. Dort befand sich die Leitapparatur des Operationstisches.
    Der Professor setzte sich vor den Bildschirm, auf dem der Kopf des Verunglückten zu sehen war, und fuhr mit den Händen bis an die Ellbogen in rote Gummimanschetten. In ihnen waren Metallgriffe angebracht, die er nur zu berühren brauchte, und schon senkten sich aus dem Instrumentenhalter, der wie ein Bündel eingezogener Krallen über dem Kopf des Piloten hing, die benötigten chirurgischen Instrumente herab. Ohne die Aufforderung des Professors abzuwarten, trat ich an das Schaltbrett auf der linken Seite, um die Tätigkeit des Herzens und der Lunge zu überwachen. Anna bereitete auf der anderen Seite den Transfusionsapparat vor, um dem Organismus Blut zuzuführen.
    In dem Saal, von dem uns eine blaue Glaswand trennte, war es totenstill, hell und heiß. Von Zeit zu Zeit klirrte leise ein Instrument, oder man hörte das metallische Schnappen einer Arterienklemme, die ein durchtrenntes Blutgefäß verschloß. Auf dem Schirm war nur noch der rasierte Schädel zu sehen. Die Trepane drangen in den Knochen ein, die Säge zog einen Kreis. Ein schmaler Streifen von Knochenstaub, der sich rasch mit Blut vollsaugte, bezeichnete ihren Weg. Nun näherten sich die Greifer eines Elevators, schoben ihre stumpfen, gebogenen Ränder unter den ausgesägten Teil der Schädeldecke und hoben ihn mit einem leisen Schnalzen wie einen Deckel ab. Unmittelbar darauf quoll bläulichrote Gehirnmasse aus dem Schädel und blähte sich unter dem Druck des noch unsichtbaren Blutergusses auf. Die großen, in der harten Hirnhaut verzweigten Arterien pulsten träge. Schrey änderte die Vergrößerungsskala am Schirm. Nun war nicht mehr der ganze Schädel, sondern nur das vielfach vergrößerte Operationsfeld zu sehen, das von einem Streifen von Schwämmchen gesäumt war, die das Blut aufsaugten. Ein hauchdünnes Messer, das wie ein silbernes Haar glänzte, näherte sich senkrecht dem Gehirn und berührte es scheinbar nur ganz leicht. Die Hirnhaut platzte sofort und riß. Eine Blutwelle schoß aus dem Innern und spülte Blutgerinnsel heraus. Ejektoren reinigten mit einer physiologischen Lösung in schmalen Rinnsalen das Feld. Die Flüssigkeit wurde hellrot und schließlich dunkelrot Das Blut floß noch immer, die Tücher wurden automatisch gewechselt. Schrey kroch immer mehr in sich zusammen. Seine Hände, die tief in den Manschetten steckten, waren nicht zu sehen. Nur die Bewegungen der Arme und Schultern deuteten auf ihre fieberhafte Tätigkeit hin.
    Plötzlich stieß der Automat, der über die Blutzirkulation wachte, kurze, hohe Warntöne aus. Gleichzeitig wurde die Blutung im Operationsfeld schwächer. Schrey ließ den Blick keine Sekunde von dem Bildschirm und rief: „Das künstliche

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