Gast im Weltraum
Herz! “
Erst jetzt, nach diesen heiseren, kaum verständlichen Worten, begriff ich, wie groß die Anstrengung war.
Ich schaltete alle Geräte, die sich auf meiner Seite befanden, auf Anna um und übernahm selbst den Transfusionsapparat. Rasch trat ich an das Schaltpult mit dem zweiten Schirm, der die Brust des Verunglückten zeigte. Ich setzte die Messer in Betrieb, die sich sofort in die Haut senkten. Klemmen faßten die Gefäße, die kaum noch bluteten. Der Blutdruck sank rapid, der Automat brummte immer tiefer, nicht mehr in einzelnen Lauten, sondern in einem ständig absinkenden, klagenden Ton. Das war kein Operationsschock – das war Agonie! Der Pilot starb. Ich fühlte, daß mein Gesicht erstarrte. Ich arbeitete, so schnell ich konnte. Da erklang ein durchdringender, schriller Ton. Die Umrandungen unserer Bildschirme flammten rot auf, zum Zeichen, daß das Herz des Fliegers aussetzte. Noch ein Schlag – es blieb erschöpft in der Diastole stehen.
„Das künstliche Herz!“ Schrey rief es heiser, mit einer wilden Verbissenheit in der Stimme. Ich preßte die Zähne aufeinander, daß sie schmerzten. Mit angehaltenem Atem zerschnitt ich das Gewebe, unter den Scheren barsten die Rippen. Endlich hatte ich eine breite, dunkle Öffnung geschaffen. Die Röhrchen des Transfusionsapparates verschwanden in der Brusthöhle. Zwei Strahlenbündel beleuchteten sie. Gleichzeitig packten metallene Griffe den Aortenbogen, die Hauptschlagader wurde getrennt und durch das Vakuum an die Röhrchen gesaugt. Im nächsten Augenblick schaltete ich den Blutkreislauf ein. Das Schmatzen der Kreiselpumpe wiederholte sich immer rascher, die Zeiger kletterten höher, der Druck stieg. Das konservierte Blut floß in die Gefäße des toten Körpers. Nun durchschnitt ich die Luftröhre und verband die Lungen mit dem Sauerstoffgerät.
Alle Meßapparate über dem Bildschirm pulsten in immer schnellerem Rhythmus. Das künstliche Herz und die künstliche Lunge arbeiteten vorschriftsmäßig. Einstweilen konnte ich nicht mehr tun. Mit brennenden Augen starrte ich auf das tote Herz des Piloten, das zwischen den bläulichen Lungenflügeln hing. Eine Minute verging, eine zweite – es regte sich nicht.
Das in die Adern gepreßte Blut bahnte sich mühsam den Weg in die Tiefen des erkaltenden Körpers. Vergebens summten die Erwärmungsemitoren, rieselten die Heparinbächlein, die ein Gerinnen des Blutes verhindern sollten. Schrey arbeitete unermüdlich weiter. Er operierte einen Leichnam, der weiß wie Marmor auf dem schräggeneigten Tisch lag.
„Den Druck erhöhen!“ rief Schrey so heiser, als hätte er die Stimme verloren. Ich warf einen Blick zu ihm hinüber. Schweiß tropfte ihm von der Stirn, der Arm des Wischers fuhr hin und her, entfernte die Tropfen, die groß und rund wie Tränen auf der Stirn standen und in die Augen rannen. Die Lippen waren zu einer messerscharfen Linie zusammengepreßt, die Züge zu einer schmerzlichen Grimasse erstarrt.
Ich erhöhte den Blutdruck. Das dumpfe Brummen der Apparate wurde lauter. Die vierte, die fünfte Minute nach dem klinischen Tod verging.
„Adrenalin!“ Die Nadeln blitzten im Licht, neigten sich, die Injektion ging unmittelbar ins Herz. Plötzlich begann der graublaue Muskel sich zu bewegen, zu flimmern.
„Flimmert!“ rief ich.
„Elektroschock!“ antwortete Schrey sofort. Ich wußte selbst, daß dies der einzige noch mögliche Rettungsversuch war.
Das Herz wurde von dem Stromstoß aus den Platinelektroden getroffen, es zitterte, blieb stehen und begann plötzlich, ohne jeden Übergang, rhythmisch zu arbeiten.
„So halten!“ sagte Schrey mit tiefer, dumpfer Stimme. Das Agoniesignal, das uns bisher ununterbrochen in die Ohren gedrungen war, mahnte jetzt nur noch in Abständen. Nun erst vernahm ich es wieder. Ich beugte mich zur Seite, um den Schirm des Professors sehen zu können.
Das Schädelinnere war ein blutiger Brei, mit Blutgerinnseln durchsetzt. Farblose Lösungen spülten unausgesetzt, Instrumente schoben sich vor, zogen sich zurück und versuchten behutsam, die hervorgequollenen Hirnteile in ihre normale Lage zu bringen. Es war aber unmöglich, da die geschwollene Substanz immer wieder über die Wundränder quoll.
„Den Druck unter der Glocke erhöhen!“
Ich begriff. Schrey wollte die Hirnmasse durch die Druckerhöhung wenigstens teilweise zurückdrängen. Dieser Versuch war sehr riskant, denn er hatte möglicherweise eine Schädigung des Atemzentrums zur Folge. Übrigens,
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