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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Materie im Weltall. Wollte man die Masse unserer Erde so komprimieren, dann bliebe ein Hügel von knapp hundert Meter Höhe. Die frei werdende Energie wird in einem ungeheuren Ausbruch in den Raum geschleudert. Einige Tage lang leuchtet ein solcher Stern mit der Intensität von etlichen hundert Sonnen, dann erlischt die Flamme dieser kosmischen Explosion, und der Stern, das heißt der von ihm übriggebliebene Block ausgebrannter, zusammengepreßter Materie, versinkt für unendliche Zeiten im Dunkel. Auf eine solche Erscheinung, die einmal in Jahrhunderten in jedem außergalaktischen Nebel auftritt, warten die Astrophysiker der Gea.
    Die Supernova wurde zur Sensation des Tages. Eine Wallfahrt von Neugierigen in das Observatorium fand bereits Wochen vor der genannten Zeit des Ausbruchs statt, die sich übrigens auf anderthalb Wochen erstreckte, da der Augenblick der Explosion nicht auf die Minute vorauszuberechnen war. Die Supernova sollte fast genau in der Richtung der Verlängerten Längsachse unseres Raumschiffes aufflammen, so daß der Achtmeterlichtschirm des Hauptteletaktors unausgesetzt auf den galaktischen Südpol eingestellt war. Der in diesem Gebiet liegende Zipfel der Milchstraße löste sich infolge der Trennschärfe dieses starken Gerätes in ein Sterngewimmel auf. Trotzdem blieben alle diese Sterne nur als Punkte sichtbar, da selbst die vielmillionenfache Vergrößerung gegenüber dem trennenden Abgrund machtlos war. Zwischen dem Kugelhaufen der Omega Centauri und dem Kreuz des Südens flimmerten die außergalaktischen Nebel wie blasse, von einem dunklen Staubrand umgebene Wurfscheiben. Jeder dieser Nebel ist ein Sternsystem mit vielen hundert Millionen Sonnen.
    Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit unserer Astrophysiker stand die Kleine Magellansche Wolke, besonders der Teil von ihr, in dem das Aufblitzen der Supernova erwartet wurde. Trotz des anhaltenden Besucherstromes setzten sie unermüdlich ihre tägliche Arbeit fort. Der kleine mathematische Automat war dauernd in Betrieb. Die vergrößerten Fotografien und die mit Zahlen versehenen Streifen der Spektrogramme gingen von Hand zu Hand. Dieser ganze, rhythmische Arbeitsablauf übte auf uns einen beruhigenden Einfluß aus. Wir fühlten uns wie Leute, die sich unter der Führung bewaffneter und erfahrener Jäger in ein Gebiet begeben, das von raubgierigen Bestien wimmelt.
    Für die Astrophysiker bargen weder die in bodenlosen Tiefen schwimmenden schwarzen und weißen Glutwolken noch der unendliche Raum ewiger Nacht etwas Beunruhigendes. Ihr sachliches, klassifizierendes Verhältnis zur Unendlichkeit teilte sich auch uns mit. Ich merkte, daß sich die Sterngalerie, die in der letzten Zeit schwach besucht war, wieder füllte.
    Ich wunderte mich, daß die Expeditionsleiter von dem erwarteten kosmischen Ereignis soviel Aufhebens machten. Einmal ließ ich bei Yrjöla die Bemerkung fallen, daß die Flut von Neugierigen gewiß die Arbeit der Astrophysiker und Astronomen erschwere. Er erwiderte lächelnd, diese „kleinen Unannehmlichkeiten“ würden sich „bezahlt machen“.
    An den Tagen, an denen das seltene Ereignis erwartet wurde, konnte die weite Halle des Observatoriums kaum die Schaulustigen fassen. Aber weder am ersten noch am zweiten, noch am dritten Tag geschah etwas. Lange nach Mitternacht kehrten wir enttäuscht in unsere Wohnungen zurück. Selbst das gedämpfte Licht in den Korridoren blendete unsere Augen, die an das Dunkel der Beobachtungsschirme gewöhnt waren.
    Am vierten Tage erschienen nicht viele Neugierige, am fünften blieben die meisten fern. Am Morgen des sechsten Tages blitzte endlich die Supernova als blendend heller Punkt in der Kleinen Magellanschen Wolke auf. Ob die Erwartung zu lange angespannt worden war oder ob wir uns diese Erscheinung viel gewaltiger vorgestellt hatten, als sie in Wirklichkeit war – jedenfalls nahmen wir sie ziemlich gleichgültig zur Kenntnis. Alles, was im Observatorium darüber gesprochen wurde, waren Worte höflicher Anerkennung für die Astrophysiker, aber nicht Ausdruck echter Begeisterung. Der künstliche Funke des Enthusiasmus verlosch viel früher als der leuchtende Punkt der Supernova im matten Licht der Magellanschen Wolke.
    Der Leiter der Astrophysikergruppe ist Professor Trehub, ein hervorragender Forscher auf dem Gebiet der außergalaktischen Nebel, die an der Grenze der Reichweite der mächtigsten Teleskope kreisen. Wer ihn einmal gesehen hat, der behält ihn für immer in der Erinnerung. Sein

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