Gast im Weltraum
geöffneten Hirns, nahm einige kleine Werkzeuge zur Hand und wechselte etliche Kabelverbindungen aus. Er arbeitete außerordentlich rasch, trat einen Schritt zurück, musterte prüfend die bloßgelegten Eingeweide des Apparates, dieses Gewirr von silbernen und weißen Leitungswindungen und befahl dem Mechanoautomaten, die Stirnplatte an ihrem Platz zu befestigen. Dann schaltete Goobar den Strom ein. Das Elektronenhirn belebte sich, die Schirme leuchteten auf. Zwischen Goobars Fingern kam, wie hervorgezaubert, das kleine, schwarze Stäbchen zum Vorschein. Nun erst sah ich, daß es ein Röhrchen mit Pfefferminztabletten war. Goobar ließ sich auf dem Rand eines Stuhles nieder und betrachtete die Kurven, die sich auf den Bildschirmen entwickelten. Schließlich nickte er befriedigt.
Goobar hatte offenbar einen Teil der axiomatischen Apparatur umgeschaltet. Er entwickelte damals einen bisher nicht bestehenden Zweig der Mathematik, der im Zusammenhang mit neuen Forschungen unbedingt notwendig geworden war. Ich war Zeuge einer Operation geworden, durch die er die Schlußfolgerungen des Elektronenhirns in neue Bahnen lenkte. Goobar hockte auf dem Stuhlrand und starrte die Maschinerie an, die ununterbrochen arbeitete. Manchmal schien das Licht auf den Schirmen schwächer zu werden. Dann bewegte sich Goobar wie zum Sprung, zu einem weiteren Eingriff bereit. Aber die Schirme leuchteten von neuem auf, und die Relais, die ausgesetzt hatten, pulsierten nach einigen Schwankungen im gleichmäßigen Rhythmus mechanischen Lebens.
Plötzlich verlor ich das Elektronenhirn aus den Augen. Eine neue Erscheinung betrat die Szene und fesselte meine Aufmerksamkeit – Callarla. Sie ging, nein, sie schwebte durch den Raum, der sie von Goobar trennte, blieb dicht vor ihm stehen, verdeckte ihn einen Augenblick, drehte sich um und kam auf mich zu. Ich zuckte zusammen, wollte mich verbergen, aber meine Beine versagten mir den Dienst. Callarla näherte sich der Glaswand so weit, daß ihr Gesicht die kleine, durchsichtige Öffnung füllte. Ich war überzeugt, daß sie mich sah. In diesem Augenblick sagte Goobar etwas zu ihr. Sie antwortete ihm, ohne sich umzuwenden. Nein, sie sah mich doch nicht. Ihre großen, starr auf einen Punkt gerichteten Pupillen weiteten sich allmählich, als tränken sie Dunkelheit. Sie bemerkte weder mich noch etwas anderes. Dieser Blick wartete auf nichts, hoffte kein Bild, kein Licht, ja nicht einmal das Dunkel zu sehen. Die schwarze Silhouette Goobars und die riesigen Maschinen schienen mir auf einmal so nichtig, so belanglos zu sein vor diesem klaren, reinen Frauenantlitz. Die glatte Stirn, die stillen Lippen und die weit geöffneten Augen waren so fern, als hätte Callarla sie der bodenlosen Leere anvertraut. Endlich wandte sie sich ab, kehrte zu Goobar zurück, der sich noch immer mit seinen Maschinen auseinander setzte. Ich fühlte brennende Röte in meine Wangen steigen. Ich schämte mich, daß ich der unberufene Zeuge eines Augenblicks geworden war, in dem Callarla ihr ganzes Ich, ihr entsagungsvolles, stummes Leid, das niemand kennen durfte, offenbart hatte, Leise, behutsam zog ich mich zurück und flüchtete wie der Schänder eines Heiligtums.
Ein Aufzug brachte mich in das Stockwerk, in dem sich der Philharmoniesaal befindet. Ich war wie betäubt und wachte erst in dem strahlenden Licht auf, das mich plötzlich umflutete. Ich stand auf den spiegelnden Marmorplatten in der Säulenhalle, die den Saaleingang bildet. Die letzten Konzertbesucher strebten eilig ihren Plätzen zu. Da fiel mir ein, daß ich mit Anna verabredet war. Sie kam mir bereits entgegen. Ich lief auf sie zu, ergriff ihre Hand und stammelte eine verworrene Entschuldigung. Anna schien mir größer als sonst. Ihr langes, silbrig schimmerndes Abendkleid umfloß ihren schlanken Körper. Sie preßte die Lippen aufeinander und tat, als wäre sie sehr ärgerlich.
„Komm, beeile dich“, sagte sie. „Nachher rechnen wir ab.“
Kaum hatten wir den Saal betreten, da ging das Licht aus. Nur die Scheinwerfer strahlten die große Muschel des Orchesterraumes an. Vor dem Hintergrund blinkender Instrumente und dunkler Köpfe hob sich die Silhouette des Dirigenten ab. Das Klopfen seines Taktstockes klang deutlich durch die Stille. Er breitete die Arme aus…
Die Flut der alten Musik umspülte mich wie einen gleichgültigen, gefühllosen Stein. Ich empfand nur ein gewisses Vergnügen, als ich die glänzenden, funkelnden Blas- und Streichinstrumente aus
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