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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kopf sitzt wie ein Vogelkopf mit kugelig gesträubten Federn zwischen den Schultern. Die kräftige Nase ragt wie ein stumpfer Schnabel weit vor. Die Brauen sind zusammengewachsen und bilden mit dem Nasenansatz einen Knoten, der sich dauernd bewegt und alles signalisiert, was die Augen aufnehmen. Trehub spricht in kurzen, abgehackten Sätzen. Er hebt niemals die Stimme, und doch dringt sie durch den größten Lärm zu dem, mit dem er spricht. An den Tagen, als wir auf die Supernova warteten, empfing er die Besucher des Observatoriums mit ausgesuchter Höflichkeit, ohne auch nur für eine Minute seine Arbeit zu unterbrechen. Mitunter hat man den Eindruck, daß er seine Gesprächspartner durch ungewöhnliche Aussprüche verblüffen will. Als ich einmal die Erde erwähnte, sagte er: „Auch dort sind wir mitten unter den Sternen. Von der Leere des Raumes trennt uns nur ein wenig Luft und die Erdmasse unter unseren Füßen. Man braucht nur die Augen zu öffnen, um das zu erkennen.“
    Er ist der Urheber eines Projekts, das großes Aufsehen erregte, obgleich außer ihm selbst niemand den Mut hatte, es ernstlich zu erörtern. Es sei am besten, erklärte er, die Expedition zu den Sternen nicht in einem großen oder kleinen Raumschiff‚ sondern mit der ganzen Erde zu unternehmen. Er schlug vor, die Erde durch gewaltige, atomare Rückstöße aus ihrer Bahn zu drängen, in einer Spirale allmählich von unserer Sonne zu entfernen und auf der Erde den Weg zu jener Sonne einzuschlagen, die man ausgewählt hatte. Künstliche Atomsonnen sollten den Erdenbewohnern auf der Reise durch den Kosmos Licht und Wärme spenden.
    „Wir können doch heute bereits berechnen, daß unsere Sonne in zehn, spätestens in zwanzig Milliarden Jahren erlischt. Was ist einfacher und vernünftiger, als dieser Entwicklung zuvorzukommen und aus freien Stücken das zu tun, wozu wir in der Zukunft gezwungen sein werden?“
    Am meisten hatte mir imponiert, daß er das Wörtchen „wir“ benutzte, als beabsichtigte er allen Ernstes, zwanzig Milliarden Jahre zu warten. Er tut oder sagt aber niemals etwas, nur um zu imponieren. Daran liegt ihm nichts. Allerdings ist er mit seinen ungewöhnlichen Ansichten zumeist in der Minderheit, die sich häufig auf ihn allein beschränkt. Dann spricht er von „Revolten“ seiner Kollegen und Mitarbeiter. Etwas muß ich hinzufügen, um sein Bild zu vervollständigen: Er lacht gern. In dem halbdunklen Observatorium hört man oft sein tiefes Lachen, besonders dann, wenn er im Licht der Glühlampe auf einer Fotografie eine seiner Vermutungen bestätigt findet. Ich jedenfalls habe diesen unverwüstlichen, energiegeladenen Menschen gern.
    In Trehubs Gruppe arbeitet das Ehepaar Borel. Der Planetologe Pawel Borel ist auf der Erde als begeisterter Alpinist bekannt. Seine Haut ist von Wind und Sonne gebräunt, er ist schlank, leicht ergraut, etwas vornübergebeugt. Um seine Augen, die an das Blinzeln im Glitzern und blendenden Gleißen der Gletscher gewöhnt sind, rankt sich eine Unzahl feiner Fältchen. Maria, seine Frau, hat ein alltägliches Gesicht. Unter vielen Menschen würde ein Fremder sie leicht übersehen. Auch ich erkannte nicht auf den ersten Blick die verborgene, rätselhafte Schönheit ihres Antlitzes, die nur selten, bei Freude oder Trauer, wie hinter einem plötzlich zurückweichenden Vorhang aufleuchtet.
    Die beiden arbeiten gewöhnlich getrennt, er an den Teletaktoren oder Spektroskopen, sie an den mathematischen Apparaten und Zählwerken. Bei der konzentrierten, gleichmäßigen Arbeit kann man dann und wann einen Blick auffangen, den Borel seiner Frau zuwirft. Er ist weder besonders beredt noch ein ausdrucksvoller Beweis seiner Gefühle – nein, nichts dergleichen ist aus ihm zu entnehmen. Es ist lediglich ein kurzes, helles Aufblitzen seiner Augen, die Feststellung: Du bist da. Dann vertieft er sich wieder in seine Arbeit.
    Anna wich mir aus. Ihre Handlungen, ihr Gesichtsausdruck waren oft schwer zu verstehen, zu deuten. Tagelang ließ sie sich nicht sehen. Wenn ich sie nach der Ursache fragte, dann schob sie die Schuld auf die Arbeit bei Frau Professor Dshakandshan. Schlug ich ihr einen gemeinsamen Spaziergang oder den Besuch eines Konzertes vor, dann fand sie stets eine Ausrede. Ein andermal wieder war sie freundlich, zutraulich und ruhig. Mitunter wurde sie unvermittelt, ohne ersichtlichen Grund traurig, verscheuchte aber diese kleinen, wie mir schien, kindlichen Betrübnisse gleich darauf mit einem

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