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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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nahm ich nicht wahr, sah nur ein Flimmern erstarrten Lichts in unendlich alten Abgründen, kalte, schweigende Funken, die Fratze einer schrecklichen Gleichgültigkeit.. Ich wollte nichts sehen und vermochte doch die Augen nicht zu schließen. Ich legte Anna den Arm um die Schulter. Nun war ihr Kopf zwischen mir und der Leere, als wollte sie mich schützen und beschirmen. Ohne darüber nachzudenken, zog ich sie an mich. Ich fühlte die Wärme ihrer zarten Schultern, ihr Atem wehte über mein Gesicht, unsere Lippen fanden sich.
    Stille war um uns. Nur der Pulsschlag pochte laut. Unsere Herzen erstarben. Sie schmiegte sich eng, vertrauensvoll an mich. Und ich – ich hatte kein Recht auf dieses Vertrauen.
    „Anna“, flüsterte ich, „höre… ich…“
    Sie befreite ihre Hand und verschloß mir den Mund. Niemals werde ich diese Geste weiblicher Klugheit vergessen. „Sag nichts…“, hauchte sie.
    Wir sahen uns nicht. Dunkel, tiefstes Dunkel, die Leere des unendlichen Raumes hüllte uns ein, umschloß uns und lauerte auf einen Blick, um ihn zu verschlingen. Die schützenden Panzer der Gea schienen zu zerfallen. Ich zweifelte an dem festen Halt unter meinen Füßen. Nur der schlanke Körper Annas war Schutz und Sicherheit. Ich preßte meine glühende Stirn an ihre Schulter. So standen wir, ich weiß nicht wie lange, stumm und reglos. Auf einmal glaubte ich, ein Vogel mit weichen Schwingen hätte sich ganz sacht und lautlos auf meinem Scheitel niedergelassen. Ein Vogel? Hier? Auf der Gea gab es keinen Vogel, konnte es keinen geben, er hätte sich an den Wänden des Trugbildes irdischer Weiten wundgestoßen.
    Anna strich zart über mein Haar. Ich preßte die Lippen an ihren Hals und fühlte den gleichmäßigen, ruhigen Schlag ihres Herzens, als spräche aus der Tiefe ihres Körpers etwas sehr Nahes und Vertrautes zu mir. Wir schritten schweigend, eng aneinandergeschmiegt, als sei bereits alles gesagt, dem Ausgang der Galerie zu. Der Korridor machte eine Biegung, die vom bläulichen Schimmer der Nachtbeleuchtung erhellten Treppen glitten vorüber. Dann kam der lange Seitengang, der große Vorsaal… wir waren vor meinen Zimmern angelangt. Annas Schulter straffte sich unmerklich unter meiner Umarmung, aber sie selbst streckte die Hand aus, drückte die Klinke nieder und schritt als erste über die Schwelle, Ich wandte mich um, tastete nach der Tür, um sie hinter uns zu schließen. Plötzlich zuckte ich zusammen. Anna schmiegte sich vergebens an mich. Wir waren bereits wieder durch das Dunkel getrennt, aus dem das anhaltende, dumpfe Fauchen der Leitungen drang. Die Gea erhöhte ihre Geschwindigkeit.
Die Beratung der Astrogatoren
    Die Sterne des Alls verdanken ihre Existenz der Wechselwirkung zweier entgegengesetzter Kräfte, der Gravitation, die jedes ihrer Masseteilchen zum Mittelpunkt zieht, und der Strahlung, die bestrebt ist, sie durch ihren gewaltigen Druck zu vergrößern, sozusagen aufzublähen. Jeder Stern strahlt in Energie umgeformte Materie aus und besteht so Jahrmilliarden.
    Wenn der Atombrennstoff sich erschöpft, dann schwindet der nach allen Seiten zugleich wirkende Strahlungsdruck. Das Innere des Sterns beginnt zu erkalten, und zwar immer rascher, da weiterhin von seiner Oberfläche Energie entweicht. Der Druck, der die Gaskugel aufbläht, läßt nach; er vermag der Schwerkraft, die sie zusammenzieht, keinen Widerstand mehr zu leisten – der Stern schrumpft in sich zusammen. Die unverändert starke Rotation zerreißt die äußere, atmosphärische Hülle und schleudert sie als eine glühende Gaskugel in den Raum, wo sie sich mit einer Geschwindigkeit von einigen Tausend Kilometern in der Sekunde ausdehnt. Sobald die heißen Schichten des Sterns der schützenden Hülle beraubt sind, wird der Energieverlust größer.
    Mitunter kommt es vor, daß sich ein Stern ungewöhnlich rasch zusammenzieht. Der ungeheure Druck und die hohe Temperatur pressen die freien Elektronen in die Atomkerne. Eine Neutralisierung der elektrischen Ladungen tritt ein. Der ganze Stern verwandelt sich in eine Anhäufung von neutralen Teilchen, Neutronen, die sich, da sie einander nicht abstoßen, bedeutend enger zusammenballen als die Kerne gewöhnlicher Atome – der Stern „fällt in sich zusammen“.
    Eine Kugel glühender Materie, so groß, daß ein ganzes Planetensystem in ihr Platz fände, verwandelt sich in ein Kügelchen von einigen Kilometern Durchmesser. Diese kompakte Masse von Neutronen bildet die dichteste Form der

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