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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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Verhältnisse pflegen. Man plauderte mal über die Gartenmauer hinweg, half sich gegenseitig mit Werkzeug aus und besuchte sich an Geburtstagen. Die Wohnung der Gaucks, in der auch ein paar Biedermeiermöbel standen, war für DDR -Verhältnisse auffallend bürgerlich eingerichtet. Besucher empfanden das Zuhause der Familie Gauck als »fein und vornehm«. Überhaupt fiel den Nachbarn auf: Der zugezogene Pastor hatte einen Hang zur Extravaganz und liebte es, »sich in Szene zu setzen«. Christoph Kleemann etwa, erinnerte sich daran, dass Gauck ihn einmal zu früher Stunde in einem 119 glänzenden, hochwertigen Morgenmantel aus westlicher Produktion empfangen hatte. Kleemann war von diesem Kleidungsstück und dem Auftritt seines Amtsbruders so beeindruckt, dass er sich noch Jahrzehnte später im Detail daran erinnerte.

Der Familienvater
    Der Umzug ins Stadtzentrum bedeutete Joachim Gauck persönlich deutlich weniger als seiner Frau. Nach wie vor war sein Beruf für ihn alles, die Familie kam weit danach. Er war ein Getriebener, ständig mit seinem Trabant oder dem VW -Bus, den er von einer West-Berliner Gemeinde geschenkt bekommen hatte, unterwegs. Dass er einkaufen ging oder sich in sonstiger Form an der Haushaltsführung beteiligte, kam eher selten vor. In der Wahrnehmung seiner Kinder war der Vater nie zu Hause. »Wir haben ihn damals wenig gesehen, er war für uns selten der Familienvater, sondern immer unterwegs«, erinnerte sich sein Sohn Christian. Die Proteste von Hansi Gauck, dass ihr Mann sie ständig allein ließ, auch mit den familiären Problemen, nahmen zu: »Jochen, das kannst du so nicht machen.« Es war ein Dauerkonflikt zwischen den Eltern, den ihre Kinder als Normalität erlebten.
    Auch Bekannten fiel auf, dass zwischen Gauck und seiner Familie eine gewisse Distanz herrschte. »Über seine Tochter Gesine redete er wie über einen Fremdkörper«, registrierten sie, »man hatte manchmal das Gefühl, dass er sich zu Hause nicht völlig wohlfühlte. Er war für jeden und für alle da, aber weniger für die eigenen Kinder. Seine Familie hat man gar nicht so richtig wahrgenommen.« Der Evershagener Pastor galt als lebendig, fröhlich und jugendlich. »Er bewegte sich gerne in der Öffentlichkeit und brauchte 120 sie auch«, urteilte sein Nachbar und Amtsbruder Kleemann. Ähnlich nahmen ihn seine Bekannten Rüdiger und Martina Schmidt in den achtziger Jahren wahr: »charismatisch, unbeschwert und positiv aufgeschlossen. Jeder konnte spüren, dass er seine Arbeit mit den Menschen liebte. Attraktiven jungen Frauen war er besonders zugewandt.« Doch wenn es um seine Privatsphäre ging, war Gauck auffallend zurückhaltend. Er brachte selten Besucher mit nach Hause. Wenn das doch einmal geschah, um nach der Arbeit mit Freunden noch ein Glas Wein zu trinken, war Gauck sichtlich darum bemüht, seine Frau nicht zu stören.
    Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Ehepaar Gauck auseinandergelebt und führte eine »unglückliche« Ehe, wie Joachim Gauck es in seinen Memoiren selbst beschrieb. Das bedeutete aber nicht, dass Joachim und Hansi Gauck gar keine Gemeinsamkeiten mehr hatten. Im August 1983 beispielsweise machten sie gemeinsam Urlaub in Ungarn, wo sie bei einem befreundeten Pfarrer wohnten. Sie waren von diesem Erlebnis so begeistert, dass sie planten, die gleiche Reise im nächsten Jahr zu wiederholen. So stand es in Gaucks Stasiakte; dem MfS entging keine Aktivität des Pastors, auch nicht, wenn er im Urlaub war. Hansi Gauck erinnerte sich noch Jahrzehnte später an diese Reise: »Ich weiß noch, als mein Mann und ich zum ersten Mal in Budapest waren – wir standen mit offenem Mund da wie Kinder vorm Weihnachtsbaum. Mein Mann sagte damals zu mir: ›Hansi, wir erleben hier etwas Besonderes.‹«
    Als die Kinder der Gaucks in die Schule kamen, bekamen sie zu spüren, dass sie als Pastorenkinder Außenseiter waren. Allein die Tatsache, dass ein Schüler erkennen ließ, dass er an Gott glaubte, führte zu Problemen mit seinen sozialistischen Erziehern. Noch schlimmer war es für Pastorenkinder. Sie waren Störfaktoren im atheistischen Staat. 121 Christian, Martin und Gesine wurden des Öfteren von ihren Lehrern vorgeführt, wenn es um ihren Glauben ging. Gesine erlebte, dass ihre Lehrerin im Unterricht über die Kosmonauten sprach, die ins Weltall geflogen waren – und dabei keinen lieben Gott gesehen hätten. Dann drehte sie sich zu Gaucks Tochter um: »Wo ist denn nun dein lieber Gott?« Die

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