Gaunts Geister - Band 1-3
Sie saßen gemeinsam in der Dunkelheit und
beobachteten das Feuer. Es waren nur noch vier Brennstoffblöcke übrig, und
Gaunt ging sparsam mit ihnen um.
»Wollen Sie wissen, was uns
sonst noch unterscheidet, Rawne?«
Rawne wollte Nein sagen, aber
seine Zunge war zu geschwollen und nutzlos. Stattdessen spie er wieder aus.
Gaunt lächelte und nickte zu
dem Speichel, der auf dem Eis gefror.
»Das ist ein Unterschied:
Dieser Mond mag eine Kugel aus gefrorener Flüssigkeit sein, aber Sie werden
mich nicht dabei erwischen, wie ich meine Körperflüssigkeit derart verschwende.
In ein paar Stunden wird Sie der Wind ausgetrocknet haben. Sparen Sie das
Wasser in Ihrem Körper. Hören Sie auf, nach mir zu spucken, dann überleben Sie vielleicht.«
Er hielt Rawne eine Schale mit
abgestandenem Wasser hin, und nach einem Augenblick nahm der Major sie und trank.
»Und hier ist noch ein Punkt:
Hier drinnen ist es warm. Wärmer als draußen. Aber es ist trotzdem nicht weit
über null Grad. Sie sind halb ausgezogen und zittern.«
Gaunt trug noch seine
vollständige Uniform und hatte sich den Umhang umgelegt. Rawne ging auf, wie
durchgefroren er war, und streifte sich Weste und Umhang über.
»Warum?«, fragte der Major
undeutlich.
»Warum? Weil ich es weiß ...
Ich habe schon früher auf Eiswelten gekämpft.«
»Das meine ich nicht ... Warum?
Warum wollen Sie, dass ich am Leben bleibe?«
Gaunt schwieg eine Weile. »Gute
Frage ...«, sagte er schließlich.
»Wenn man bedenkt, dass Sie
nichts lieber sehen würden als meinen Tod. Aber ich bin ein Kommissar der
Imperialen Armee und vom Imperator beauftragt worden, seine kämpfenden Truppen
intakt und kampffähig zu erhalten. Ich werde Sie nicht sterben lassen. Das ist
meine Aufgabe. Deswegen habe ich Sie heute gerettet, deswegen habe ich die
Tanither vor der Vernichtung ihrer Welt bewahrt.«
Längere Stille trat ein, die
nur vom Knistern der chemischen Brennklötze durchbrochen wurde.
»Sie wissen, dass ich es
niemals so sehen werde«, sagte Rawne mit kalter, dünner Stimme. »Sie haben
Tanith sterben lassen. Sie haben uns nicht für unsere Heimat kämpfen lassen.
Das werde ich Ihnen niemals verzeihen.« Gaunt nickte. »Ich weiß.« Dann, nach
einer kurzen Pause: »Ich wünschte, es wäre anders.«
Rawne wälzte sich in eine
Spalte in der Höhle und hüllte sich in seinen Umhang. Er empfand nur eines: Hass.
Irgendwie, irgendwann war das
Morgengrauen gekommen.
Fahles, schwächliches Licht
lugte in die Höhle.
Gaunt schlief unter seinem mit
Reif bedeckten Umhang. Rawne erhob sich langsam und kämpfte dabei mit den
Schmerzen in seinen Knochen und der allmächtigen Kälte. Das Feuer war schon vor
langer Zeit erloschen.
Er schlich durch die Höhle und
starrte Gaunt an. Schmerzen schossen durch sein genähtes Bein, seine Schultern und
seinen Mund. Die Schmerzen vertrieben die Benommenheit in seinem Kopf und
weckten ihn gänzlich. Er hob sein tanithisches Messer auf, wischte den Reif ab
und kniete nieder, um Gaunt die Klinge an die Kehle zu setzen.
Niemand würde es erfahren.
Niemand würde jemals die Leiche finden. Und selbst wenn ...
Gaunt schauderte im Schlaf. Er
sprach zweimal den Namen Tanith aus, während seine Augenlider flatterten. Dann
kauerte er sich zusammen und murmelte: »Kann sie nicht sterben lassen! Nein,
nicht alle! Im Namen des Imperators, Sym!«
Dann ging seine Stimme in ein
unverständliches Gebrabbel über.
Rawnes Hand verkrampfte sich um
den Messergriff.
Er zögerte.
Gaunt sprach wieder, und seine
Traumstimme redete langsam und monoton: »Nein, nein, nein, nein ... Alles brennt
... brennt ... Ich hätte nie ... Ich hätte niemals ...«
»Niemals was?«, zischte Rawne,
der kurz davor war, den Dolch in einem raschen tödlichen Schnitt aufwärts zu ziehen.
»Tanith ... Im Namen des
Imperators ...«
Rawne drehte sich in der Hocke
und zog dabei den Dolch hoch, aber nicht in einem tödlichen Schnitt, sondern in
einem Bogen, um ihn dann in Richtung Höhleneingang zu werfen. Der Dolch bohrte
sich in den Hals eines Orks, der sich gerade in die Höhle schlich.
Als der Ork gurgelnd nach
hinten kippte, hörte Rawne heiseres Gebrüll von draußen. Er trat Gaunt in die
Rippen, um ihn zu wecken, schnappte sich sein Lasergewehr, legte es an und gab
ein paar Schüsse auf den Eingang ab.
»Sie haben uns gefunden, Gaunt,
Sie Bastard!«, schrie er. »Sie haben uns gefunden!«
Acht grimmige wortlose Minuten
lang zischten und krachten die Waffen in ihren
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