Gaunts Geister - Band 1-3
dezidierte
Anweisungen erteilt, wie viel von diesen Bereichen benutzt oder auch nur
betreten werden durften. Cargins Männer meldeten den Ausbruch von Kämpfen, als
sie den Flüchtlingen den Zugang zu bestimmten Gebieten verwehren wollten.
Schüsse wurden über die Köpfe der Menge abgegeben. Verglichen mit dem Beschuss,
den sie draußen über sich hatten ergehen lassen müssen, waren die
Handfeuerwaffen der Soldaten unbedeutend, und die Hausgarde wurde rasch tiefer
in die Industriegebiete gedrängt, da sie versuchte, die Neuankömmlinge
unterzubringen. Die meisten Soldaten waren extrem unwillig, auf ihre Mitbürger
zu schießen. In einem Fall schoss ein erzürnter Unteroffizier tatsächlich in
die eindringende Menge und tötete zwei. Er und sein Sechs-Mann-Trupp wurden von
einem Rudel rauchgeschwärzter Textilarbeiter in Stücke gerissen.
Cargin forderte hektisch
Nachschub und Rat über Kom an. Gegen acht Uhr am Abend gaben das Oberkommando der
Häuser und die Legislatur neue Befehle aus, die den Flüchtlingen in aller Eile
in den Innenhabs südlich des Pylonen und der Commercia eingerichtete
Sammelgebiete zuwiesen. Der Flüchtlingsstrom vom Sondartor, Hass-Tor und in
geringerem Maß Croetor verstopfte jetzt die südlichen Bezirke der Makropole.
Ein Teil der in einer Sondersitzung in der Hauptspindel tagenden Hauslegislatur
argumentierte, es sei die Pflicht der Makropole, die Bevölkerung der Außenhabs
unterzubringen. Andere hatten ganz einfach Angst, dass es ihnen angesichts der
verstopften Hauptverkehrsadern im Süden niemals gelingen würde, ihre Armeen zu
mobilisieren. Sechs Adelshäuser erboten sich freiwillig, Hilfsgüter zur
Verfügung zu stellen, die mit der Zahnradbahn zum Marschallsplatz und zum
Hauptlandefeld der Stadt transportiert werden sollten, wo sich die durch das
Hass-Tor gekommenen Flüchtlinge ebenfalls sammelten.
Es war ein Anfang, aber nicht
genug. Cargin fragte sich, ob die hohen Tiere innerhalb der Makropole das
Ausmaß des Problems wirklich begriffen. Die imperialen Leitsätze Makropol-Mottos
und anderen Botschaften beruhigender Propaganda, die auf den öffentlichen
Anzeigetafeln blinkten, taten wenig, die allgemeine Panik zu mildern. Cargin hatte
es mit Tausenden wütender, verängstigter Bürger zu tun, von denen die meisten
infolge der Explosionen stocktaub und vielen die Kleider am Leib weggebrannt
waren und noch mehr im Sterben lagen oder nicht mehr aus eigener Kraft gehen
konnten. Abgesehen davon, das Tor zu schließen, hatte er keine Möglichkeit, den
Zustrom einzudämmen. Verglichen mit den Flüchtlingsmassen waren seine dreitausend
Männer nur eine Handvoll.
Cargin wurde über Kom zum
Nordrand des Platzes gerufen.
Dort fand er ein Feldlazarett
vor, das von den Ärzten irgendeiner Innenhab-Krankenanstalt eingerichtet worden
war. Hunderte von Verletzten lagen auf dem Steinpflaster. Ärzte und
Krankenpfleger in roten Gewändern und Masken kümmerten sich um sie.
»Sind Sie Cargin?«
Cargin drehte sich um. Eine rot
gewandete und maskierte Gestalt sprach ihn an. Die Frau setzte ihre Maske ab
und enthüllte ein ansprechendes herzförmiges Gesicht. Ihre Augen hatten jedoch
einen harten und bestürzten Ausdruck.
»Ja ... Frau Doktor?«
»Doktor Ana Curth,
Innenhab-Sammelkrankenanstalt 67/mv. Ich bin hier die leitende Ärztin. Wir
versuchen hier eine Sichtungsstation unter der Bahnhaltestelle da drüben
einzurichten, aber der Zustrom ist zu groß.«
»Ich tue mein Bestes, Frau
Doktor«, sagte er kategorisch. Er sah Zugmaschinen und Lastwagen auf der Straße
zur Kaserne, die mit eingeschalteten Scheinwerfern und laufendem Motor darauf
warteten, heranfahren zu können, um diejenigen, welche eingehendere ärztliche
Hilfe benötigten, zu den Krankenanstalten in den Innenhabs und in der
Niederspindel zu bringen.
»Gleichfalls«, sagte Curth
humorlos. Es roch nach Blut und verbranntem Fleisch, und der Platz war erfüllt
vom jämmerlichen Geschrei der Verletzten. »Die Krankenanstalten haben bereits
mehr als genug mit den Verwundeten aus der Innenstadt zu tun. Zu Beginn des Überfalls,
bevor der Schirm hochgefahren wurde, hat es zahlreiche Opfer gegeben.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen
soll.« Cargin zuckte die Achseln.
»Ich habe meine Befehle befolgt
und den Flüchtlingen gestattet, den Platz zu verlassen und in die angrenzenden
Sektoren auszuweichen. Der Flüchtlingsstrom scheint kein Ende zu nehmen. Meine
Beobachter oben auf dem Wall melden, dass die Schlange draußen immer noch
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