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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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den Alltagsgeschäften. Schließlich müssen weltweite erdmagnetische Beobachtungen organisiert und die Zeichnungen für das Gauß’sche Magnetometer kopiert und verschickt werden, damit alle Observatorien unter gleichen Bedingungen arbeiten können.
    Wichtiger als die Telegraphie, so scheint’s, ist aber augenblicklich sein Ehrgeiz, Faradays elektromagnetische Induktion, nämlich die Erzeugung eines elektrischen Feldes durch einen bewegten Magneten, mathematisch widerspruchsfrei zu formulieren. «Die glänzenden Entdeckungen Ørsteds und Faradays haben der Naturforschung eine neue Welt geöffnet», schreibt er in Schumachers Astronomischen Nachrichten , «deren Zaubergärten uns mit Bewunderung erfüllen; unterwürfig machen können wir uns diese reichen Gebiete nur unter Führung der Messkunst» [GauV: 336]. Wie beim Erdmagnetismus möchte er auch auf diesem Gebiet absolute Maße einführen. Für ihre Messungen bauen Gauß und Weber eine verblüffend einfache Vorrichtung. Es ist ein schlichter, vierbeiniger Holzschemel. In der Mitte der Sitzfläche stecken zwei Stahlstäbe, die jeder 25 Pfund schwer sind. Mit ihrem Nordpol berühren sie die Erde, während das Südpolende frei nach oben ragt. Über die Stäbe ist eine Holzrolle gestülpt, die auf der Sitzfläche des Schemels ruht. Sie ist mit seideübersponnenem Kupferdraht umwickelt, dessen Enden zum Multiplikator führen.
    Gauß nennt seinen Apparat «Induktor», weil er mit ihm eine Induktion hervorrufen, also Strom erregen kann. Dafür fasst er nun mit beiden Händen an die Griffe der Spule und schiebt sie mit einer schnellen Bewegung nach oben, über den Südpol der Magnetstäbe hinaus, dreht die Spule in der Luft und lässt sie dann umgekehrt wieder über den Stab nach unten auf die Sitzfläche des Schemels sausen. Bei dieser Bewegungsfolge entstehen kurze Stromstöße, deren Richtungen umgelenkt werden. Dabei ist es egal, ob er die Drahtspule selbst bewegt und den Magnetstab ruhen lässt oder umgekehrt. Bei seinem selbstentworfenen Induktur jedenfalls scheint die Bewegung der Spule am zweckmäßigsten zu sein. «Gauß hat es indess in der Anstellung des angegebenen Experiments zu einer solchen Fertigkeit gebracht, dass der dadurch erzeugte elektrische Strom nicht bloß das Magnetometer in übergroße Schwankungen versetzt, sondern auch ganz eigentlich unerträglich auf die Nerven, namentlich des Gesichtes, wirkt» [Mun: 121], berichtet Augenzeuge Georg Wilhelm Muncke, Mathematiker und Physiker in Heidelberg.
    Zwar sucht Gauß, wie man hier erfährt, sogar mit unerschrockenem körperlichen Einsatz, in erster Linie die Zahlenverhältnisse der elektromagnetischen Wirkungen. Doch ganz so eindeutig und heroisch, wie manche Interpreten es gern sähen, wird Gauß sich der reinen Theorie dann doch nicht verschrieben haben. Denn viel zu häufig stößt er bei seinen Untersuchungen auf neue Erkenntnisse, die sich auf die Telegraphie anwenden lassen. Das Thema liegt einfach in der Luft – im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn. So wird ihm beispielsweise schnell klar, dass sich mit seinem zur Stromquelle umgebauten Holzschemel doppelt so schnell telegraphieren lässt als mit dem bisher eingesetzten und weniger konstant arbeitenden Kupfer-Zink-Element. Sieben Buchstaben in der Minute werden dadurch zur Norm. Denn da die Stromstöße nach dem Faraday’schen Gesetz nur so lange anhalten, wie das Magnetfeld in Bewegung ist, eignen sie sich hervorragend, um die fürs Telegraphieren nötigen kurzen Ausschläge der Magnetnadel nach links oder rechts auszulösen.
    Gewissermaßen als Nebenprodukt seiner wissenschaftlichen Versuche und Überlegungen kann Gauß sogar die genauen Dimensionen von Drähten und Magneten angeben, die für längere Telegraphenstrecken benötigt werden. So sollte der Draht auf der Strecke von Leipzig nach Dresden eine Dicke von ¾ Linien (1,7 Millimeter) haben und unbedingt aus Kupfer sein, während für die Leitung zwischen Petersburg und Paris 3 Linien (6,8 Millimeter) erforderlich seien [Asc 1 : 19]. Ähnlich wie er beim Heliotropen nur die Erdkrümmung als letztes Hindernis für die Signalübertragung angesehen hat, hält er es 1835 für selbstverständlich, dass jeder Punkt auf der Erde mit jedem anderen Standort telegraphisch verbunden werden kann: «Der Kaiser von Russland könnte seine Befehle ohne Zwischenstation in derselben Minute von Petersburg nach Odessa, ja vielleicht nach Kiachta geben … Ich halte es nicht für unmöglich,

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