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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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Bahnbestimmung von Planeten und Fallobst gleichermaßen.
    Bevor der elfeinhalbjährige Carl im September 1788 erstmals das Braunschweiger Gymnasium «Katharineum» betritt, ist er bereits bestens mit dem mathematischen Stoff vertraut, den er dort eigentlich erst lernen soll. Natürlich ist ihm sein Ruf als außergewöhnlich begabter Schüler bereits vorausgeeilt, sodass er die erste Gymnasialklasse überspringen darf. Nachdem sich Mathematiklehrer Johann Hellwig ein Bild von Carls Fähigkeiten und Kenntnissen gemacht hat, hält er es für die einzig vernünftige Entscheidung, ihn vom Mathematikunterricht zu befreien. Anders als in Büttners Einheitshorde, in der alle Jahrgänge in einer «Stube» versammelt sind, kommt Carl hier in einer überschaubaren Klasse mit Gleichaltrigen in den Genuss eines Unterrichts mit wissenschaftlichem Anspruch.
    Als 1790 schließlich mit dem Wolfenbütteler Pädagogen Konrad Heusinger ein engagierter, der Spätaufklärung verpflichteter Philanthrop Rektor an Carls Gymnasium wird, werden die öffentlichen Sprachprüfungen nicht mehr in Latein, sondern in Deutsch abgehalten. Seit Januar 1788 geben Joachim Campe und Heusinger gemeinsam das Braunschweigische Journal «philosophischen, philologischen und pädagogischen Inhalts» heraus – eine Zeitschrift, die in den knapp vier Jahren ihres Bestehens zur führenden Stimme fortschrittlicher Lehrer und Pädagogen in Deutschland avanciert. Hier werden die philanthropischen Erziehungsideale diskutiert, zeitgemäße Kinder- und Schulbücher rezensiert und hochfliegende Aufsätze im Sinn des seligen Voltaire oder der hemdsärmeligen, amerikanischen Glücksverfolger und Demokratiemacher veröffentlicht. Aus Untertanen sollen mündige Bürger und aus geprügelten Kindern menschenfreundliche Erwachsene werden, während der Einfluss von geistlicher und weltlicher Macht auf ein Minimum beschränkt sein müsse. Fast könnte man den Eindruck haben, der Aufbruch in eine neue Ära sei bereits geschafft. Vehement kämpft Joachim Campe, Autor des Jugendbuchbestsellers Robinson der Jüngere , mit Wort und Tat gegen den Umstand an, «daß unsere Stadtschulen und Gymnasien … noch immer die erbärmlich kleine und zugleich lächerliche Hauptbestimmung haben, lateinische und griechische Wortkrämer für ein Land zuzuziehen, worin man weder lateinisch noch griechisch, sondern deutsch redet und deutsche Männer zu deutschen Geschäften braucht» [Cam 1 : 26].
    Der elfjährige Carl zeigt allerdings von sich aus den brennenden Ehrgeiz, Euklid und Pythagoras im Original lesen zu können. Er versteht es, seinen Vorsprung auf dem Weg zum Latinum und Graecum weiter auszubauen, und entwickelt sich zum Universalwunderkind, dessen Leistungen Aufsehen im Lehrerkollegium erregen.
    Als Carl Gauß am 2. Januar 1789 das Rechenbuch von Valentinus Heins gleich dreimal signiert, beginnt das Schicksalsjahr der französischen Aristokratie. In der zweiten Juliwoche ist es so weit. In Paris tritt der Ernstfall ein. Das Volk befreit sich von seinen Despoten. Sobald die Nachrichten von der Französischen Revolution in Braunschweig eintreffen, begibt sich Campe in Begleitung seines ehemaligen Berliner Privatschülers, Wilhelm von Humboldt, der gerade 22 Jahre alt geworden ist, sofort auf die Reise nach Paris, wo er am 3. August eintrifft. In seinen Briefen aus der Hauptstadt der Revolution schwimmt er im Gedränge Hunderttausender gleicher, brüderlicher und freier Menschen mit auf der Woge der umstürzlerischen Begeisterung. So steht also der ranghöchste Pädagoge des Herzogtums Braunschweig mit leuchtenden Augen vor den Barrikaden in einer Seitenstraße und sieht, wie «die schwachen Hände des zarteren Geschlechts» das Straßenpflaster aufreißen und die Steine in Körben auf die Dächer tragen, um ein versprengtes Häuflein königstreuer Soldaten gebührend zu empfangen. Für ihn sind diese Frauen «die neuen Spartanerinnen». Er steigt selbst «die dreiundvierzig Stufen» der in Ruinen liegenden Bastille hinab, in das düstere Verlies der «gesetzlosen Willkürlichkeit», und wird durch seinen Freund und Türöffner Mirabeau zum Zeugen der historischen Nationalversammlung, als in der Nacht zum 5. August «das ganze alte Gebäude des Lehnsystems mit allen seinen glänzenden Vorrechten für die Herrschaften, mit all seinen drückenden Lasten für die Untertanen in einigen Minuten von Grund auf umgestürzt und vernichtet [wird].» * Auch auf die schnellen Todesurteile des

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