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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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dieser Männerdomäne. An der Polytechnischen Schule von Paris hat sie allerdings nie jemand gesehen. Kein Wunder, denn Frauen dürfen dort nicht studieren. Aber der Student Antoine-Auguste Leblanc besorgt ihr die Vorlesungsmanuskripte, und als der Hilfsbereite mit 22 Jahren stirbt, gibt sie unter seinem Namen ihre Arbeit ab, die der berühmte Lagrange für bemerkenswert hält [Lei: 19]. Als sie den Namen des Toten noch einmal benutzt, um Kontakt mit Gauß aufzunehmen, gehört sie zu den wenigen Menschen, die sich überhaupt auf die Arithmetischen Untersuchungen eingelassen haben und tief in dieses zahlentheoretische Universum eingedrungen sind. Zwar gibt es vereinzelt begeisterte Rückmeldungen bedeutender Kollegen, doch für den normalen Mathematiker bleiben die Untersuchungen ein Buch mit sieben Siegeln. Was nicht zuletzt an dem bereits von Doktorvater Pfaff monierten Gauß’schen Stil liegt, der seine Quellen nicht preisgibt und den Leser mit kaum nachvollziehbaren Gedankensprüngen überfordert. Weil Germain alias Leblanc es dennoch schafft, stuft Gauß ihre Briefe auch nicht als reine Fanpost ein. Immerhin haben ihre Einlassungen ihn zu einem neuen Beweis angeregt, an dem er sich vier Jahre lang vergeblich versucht hat. Nun testet er ihre Fähigkeiten, indem er ihr zwei «Probe-Theoreme» über Primzahlreste schickt, die Lagrange höchstpersönlich für schwer beweisbar hält. Sie löst sie zu seiner Zufriedenheit.
    An seinem 30. Geburtstag schreibt er ihr: «… Wenn aber eine Person weiblichen Geschlechts, die infolge unserer Sitten und unserer Vorurteile auf unendlich viel mehr Hindernisse stoßen muss als die Männer, um sich mit ihrer heiklen Erforschung vertraut zu machen, dennoch versteht, diese Hürden zu überwinden und in die verborgensten Geheimnisse einzudringen, dann muß sie ohne Zweifel edelsten Mut, ganz außergewöhnliches Talent, überlegenen Geist besitzen» [Bim 3 : 72]. Später wird er solches Lob weniger generös äußern. Denn – so seine Erkenntnis – sei es nicht auf den zweiten Blick ungebührliches Eigenlob, schon denen überlegenen Geist zuzubilligen, die eine schwierige neue Theorie nur nachvollziehen können? Welche Hymnen verdiente dann nicht erst ihr Schöpfer selbst? Sophie Germain ist entzückt über diese günstige Entwicklung des Briefverkehrs mit ihrem Idol, doch schon bald nach der sensationellen Entdeckung, mit einer Frau über seine liebste Arbeit zu korrespondieren, gibt Gauß ihr zwischen den Zeilen in freundlichem Ton zu verstehen, dass er keine Zeit mehr finde, ihre eigenen mathematischen Arbeiten zu begutachten, und den Briefaustausch beenden möchte. Der Briefverkehr mit Freunden und Wissenschaftlern hat ein Volumen angenommen, das seine eigentliche Arbeit gefährdet.
    Im April 1807 erreicht Gauß ein «Heureka» aus Bremen. Freund Olbers hat am 29. März schon wieder einen neuen Planeten «mit sehr lebhaftem röthlichen Licht» entdeckt. Dieses Mal ist es kein Zufallstreffer, sondern das Ergebnis einer systematischen Suche im nördlichen Flügel der Jungfrau. Natürlich übernimmt Gauß «mit dem größten Vergnügen» die Bahnberechnungen des neuen Himmelskörpers. Aber Olbers hat noch eine weitere ehrenvolle Aufgabe für Gauß vorgesehen. Er soll dem Himmelskind einen Namen geben, ein Recht, das eigentlich ihm als Entdecker zusteht: «Sie nehmen sich aller dieser aufgefundenen Kinder so väterlich an, und thun für ihre Erziehung weit mehr … als die Entdecker selbst, und so ist es billig und recht, dass Sie auch die Mühe der Gevatterschaft übernehmen» [Olb1: 335]. «Ich weiss dem Planeten keinen schöneren Namen zu geben», antwortet Gauß, «als den der Göttin, die die Völker der alten Zeiten zur Schutzgöttin der reinen Sitten, der makellosen Tugend und des häuslichen Glücks machten. Finden Sie meine Wahl nicht unschicklich, so heisse Ihr Töchterchen Vesta!» [Olb1: 338]. Das häusliche Glück mit Johanna dauert jetzt eineinhalb Jahre an, der kleine Joseph ist der Sonnenschein seiner Eltern, und im Sommer gibt es «freilich noch sehr ungewisse indiciis» auf eine neue Schwangerschaft. Die römische Vesta scheint trotz der Konkurrenz des französischen Schutzengels Sophie Germain und überwiegend griechisch geprägter Charaktermerkmale des deutschen Haushaltsvorstands tatsächlich ihre schützenden Hände über das Haus Nr. 1917 am Steinweg zu halten.
    Mittlerweile ist sein Manuskript über die Bestimmung der Planetenbahnen fast vollendet. Der

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