Gauts Geister 4 - Ehrengarde
ist, ein Krieger zu sein und ein Anführer von Kriegern.«
»Deswegen studieren wir Esholi
auch alle Disziplinen und Schulen des Wissens«, sagte Sanian. »Damit wir bereit
sind, wenn unser Weg für uns offensichtlich wird, was er auch bringen mag.«
Milo verstand langsam. »Also
müssen Sie Ihren . . . Weg erst noch finden?«, fragte er Sanian.
»Ja. Ich bin noch eine Esholi.«
Gugai ließ seine alten Knochen
auf einer leeren Munitionskiste nieder und seufzte. »Die heilige Sabbat war die
Tochter eines Chelon-Hirten auf den Bergweiden der von uns nun so genannten
Heiligen Berge, also von niederer Geburt. Aber sie ist emporgestiegen, sie ist
trotz ihrer Herkunft aufgestiegen und hat die Männer und Frauen des Imperiums
zur Eroberung und zur Befreiung geführt.«
Nach fast sechs Jahren im
Sabbatwelten-Kreuzzug wusste Milo das. Die heilige Sabbat war vor sechstausend
Jahren auf dieser Kolonialwelt aus bitterster Armut zur Befehlshaberin
imperialer Truppen aufgestiegen und hatte die Kräfte des Bösen aus dem gesamten
Sternhaufen vertrieben und somit einen totalen Sieg errungen.
Er hatte Bilder von ihr
gesehen, barhäuptig und mit einer Tonsur, in eine Imperiumsrüstung gehüllt, wie
sie die Dämonen des Schmutzes mit ihrem leuchtenden Schwert enthauptete.
Milo ging plötzlich auf, dass
die junge Frau und der alte Priester ihn anstarrten.
»Ich kenne meinen Weg nicht«,
sagte er rasch. »Ich bin ein Überlebender, ein Musiker ... und ein Krieger,
oder jedenfalls hoffe ich einer zu sein.«
Gugai starrte noch etwas länger
und schüttelte dann den Kopf.
Das war das Merkwürdigste
daran. »Nein, kein Krieger. Nicht einfach ein Krieger. Etwas anderes.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte
Milo besänftigt.
»Dein Weg ist noch viele Jahre
weit weg ...«, begann Gugai und hielt dann abrupt inne.
»Du wirst ihn finden. Wenn die
Zeit gekommen ist.« Der alte Priester erhob sich steif und ging zu seinen drei Brüdern,
die sich auf den von Säulen eingerahmten Stufen der Basilika leise
unterhielten.
»Was sollte das denn jetzt?«,
blaffte Milo die junge Frau an.
»Ayatani Gugai gehört zu den
Ältesten von Doctrinopolis und ist ein heiliger Mann!«, rief sie
rechtfertigend.
»Er ist ein alter, verrückter
Mann! Was hat er damit gemeint, ich wäre kein Krieger? War das so etwas wie
eine Prophezeiung?«
Sanian sah Milo an, als habe er
soeben die dümmste Frage im ganzen Imperium gestellt.
»Natürlich war es eine«, sagte
sie.
Milo wollte gerade antworten,
als es in seinem Ohrhörer knisterte und eine Nachricht hereinkam. Er hörte einen
Augenblick zu, dann verfinsterte sich sein Gesicht.
»Bleiben Sie hier«, sagte er zu
der Studentin. Er eilte zu Gaunt, der bei den anderen Imperiumsoffizieren auf
den rückwärtigen Stufen des Kommandofahrzeugs stand. Sonnenlicht fiel durch die
Spalten zwischen den hohen Dächern des Tempelbezirks und bildete Inseln auf der
ansonsten dunklen Straße. Rattenvögel mit grauem, schmutzigem Gefieder
flatterten zwischen den Traufen umher und hockten in den Regenrinnen und
gurrten.
Als Milo näher kam, konnte er
erkennen, dass der tanithische Kommandeur seinerseits dem Kom-Verkehr in seinem
Ohrhörer lauschte.
»Haben Sie das gehört,
Kommissar?«
Gaunt nickte.
»Sie haben Oberst Corbec
erwischt. Kolea führt einen Rettungstrupp hinein.«
»Ich habe es gehört.«
»Dann stoppen Sie den Rückzug.
Rufen Sie die Panzer zurück.«
»Der Rückzug ist beschlossene
Sache.«
»Aber ...«, begann Milo und
schloss dann den Mund. Er sah den düsteren, furchtbaren Ausdruck auf Gaunts Gesicht.
»Milo ... wenn es eine
Möglichkeit gäbe, Corbec zu retten, würde ich den ganzen verfluchten Kreuzzug
aufhalten. Aber wenn er den Infardi in die Hände gefallen ist, dann ist er
bereits tot. Der Marschall will die Eroberung dieses Planeten rasch
abschließen. Ich kann den Angriff nicht aufgrund einer schwachen Hoffnung
unterbrechen, Colm wiederzusehen. Kolea und sein Trupp müssen mit den anderen
ausrücken. Wir nehmen die Zitadelle nach Einbruch der Dunkelheit.«
Es gab viele Dinge, die Milo in
diesem Augenblick sagen wollte.
Die meisten davon drehten sich
um Colm Corbec. Aber Kommissar-Oberst Gaunts Gesichtsausdruck lehnte sie alle
ab.
»Corbec ist tot. Das ist der
Lauf des Krieges. Gewinnen wir diese Schlacht in seinem Namen.«
»Senden Sie ein >Nein<«,
sagte Kolea schleppend.
»Sergeant?«, fragte Kom-Offizier
Rafflan nach.
»Senden Sie ein >Nein<,
bei Gak! Wir ziehen uns nicht
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