Gauts Geister 6 - Tödliche Mission
mich«,
fauchte er. »Nur zu. Ich widersetze mich Ihrem Befehl. Wenn Costin die Kugel
für Befehlsverweigerung verdient hat, dann ich auch, also tun Sie's. Los,
erschießen Sie mich. Oder machen Sie allen klar, dass Sie ein wankelmütiger
Anführer sind ... eine Regel für diesen, eine andere für jenen.«
Gaunt zuckte mit keiner Wimper. Er hob langsam die
Boltpistole, bis die Mündung gegen Dordens Adamsapfel drückte.
»Sie wollen hier etwas durchsetzen, das nicht durchgesetzt
werden sollte. Sie sind das Rückgrat des Ersten, und jeder verlässt sich auf
Sie. Die Männer lieben Sie. Ich kann von Glück sagen, Sie zu meinen Freunden zu
zählen. Aber wenn Sie nicht nachgeben, werde ich Sie erschießen. Das ist meine
Pflicht. Meine Pflicht gegenüber der Garde, gegenüber dem Kriegsmeister und
gegenüber dem Gott-Imperator der Menschheit. Ich kann keine Ausnahmen machen.
Nicht bei Costin. Nicht bei Ihnen. Bitte, Doktor ... treten Sie zur Seite.«
»Nein.«
Gaunt hob die Boltpistole ein wenig, so dass Dorden
gezwungen war, den Kopf in den Nacken zu legen. »Bitte, Doktor. Treten Sie zur
Seite.«
»Nein.«
»Wir sind Spiegel, Tolin, Sie und ich. Spiegel des Krieges.
Ich zerbreche sie. Sie setzen sie wieder zusammen. Für jeden Funken Ihrer
Seele, der sich das Kriegsende herbeiwünscht, finden Sie bei mir zehn. Aber
bis dieses Töten ein Ende hat, werde ich nicht vor meiner Pflicht zurückscheuen.
Zwingen Sie mich nicht, mit meinem nächsten Schuss Tolin Dorden zu töten.«
»Sie würden mich wirklich erschießen«, staunte Dorden mit
leiser Stimme. »Das würden Sie, nicht wahr?«
»Ja.«
»Heiliger Feth ... dann will ich nur umso mehr hier stehen
bleiben.«
Gaunts Finger krampfte sich um den Abzug.
Fester.
Fester.
Er wandte sich ab, senkte die Waffe und sicherte sie.
»Tolin«, sagte er ruhig. »Sie haben gerade vor meinen
Männern meine Autorität untergraben und meine Stellung geschwächt. Ich bin bis
auf den Grund meines Herzens dankbar, dass ich Sie wegen unserer Freundschaft
nicht erschießen konnte. Aber ich hoffe, Sie kommen mit den Konsequenzen
zurecht.«
»Es wird keine Konsequenzen geben, Ibram«, sagte Dorden.
»O doch«, sagte Gaunt. »Die wird es mit Sicherheit geben.«
Mkoll stand in der Nähe. Die Konfrontation verstörte ihn.
Einen Moment glaubte er, Gaunt würde ihm befehlen einzuschreiten und Dorden
wegzuschaffen.
Er hätte es besser wissen müssen. Gaunt würde niemals
einen anderen in eine persönliche Auseinandersetzung hineinziehen.
Aber es war schlimm. Es gab keinen einzigen Soldaten im
Ersten, der eine Pistole auf Doktor Dorden richten würde. Die Vorstellung war
kriminell. Die Zukunft würde erweisen, wohin Gaunts Gesichtsverlust führen
würde.
Die Auseinandersetzung hatte gezeigt, dass Gaunt ein
Mensch war. Ironischerweise war das nicht notwendigerweise gut. Noch
ironischer war, dass die meisten Mitglieder des Ersten dies vermutlich längst
wussten.
Gaunt stand ein paar Minuten allein da. Überall in der
Mühle flüsterten Soldaten miteinander. Der Kommissar-Oberst machte plötzlich
kehrt und ging zu Costin zurück. Stille kehrte ein.
Dorden, der gerade einen anderen Mann behandelte, schaute
auf und sah, wohin Gaunt unterwegs war. Er machte Anstalten, sich zu erheben,
doch Milo hielt ihn zurück.
»Nicht«, flüsterte Milo. »Nicht noch mal.«
»Aber ...«
»Milo hat Recht«, sagte Mkoll, der näher zu den beiden
trat.
»Lassen Sie es.« Gaunt ging neben Costin in die Hocke und
setzte seine Mütze ab. Er glättete den Schirm. Costin lag an der pockennarbigen
Wand. Furcht überlagerte die Schmerzen in seinem Gesicht. »Das hier ist ein
Regiment, auf das jeder stolz sein kann, Costin«, sagte Gaunt schließlich.
»Ja, Herr Kommissar.«
»Wir treten füreinander ein. Passen aufeinander auf. Das
haben wir immer so gemacht. Und es gefällt mir so.«
»Ja, Herr Kommissar.«
»Der Doktor ist mein Freund. In manchen Dingen sind wir
unterschiedlicher Ansicht, aber das ist das Kennzeichen der Freundschaft,
nicht wahr? Ich glaube, Sie haben es verdient, erschossen zu werden. Gleich
hier und jetzt, wegen Ihrer Disziplinlosigkeit. Der Doktor glaubt etwas
anderes. Ich werde ihn nicht erschießen. Tatsächlich hat sich herausgestellt,
dass ich es gar nicht könnte, selbst wenn es das Richtige wäre. Das bringt mich
in eine verzwickte Lage. Ich muss gerecht sein. Zu allen gleichermaßen. Wenn
ich ihn nicht wegen Missachtung der Befehle erschieße, kann ich nicht gut
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