GB84: Roman (German Edition)
in vollstem Umfang eingebracht werden …«
Niemand hörte zu. Der Präsident steckte mit Paul, Dick und Terry die Köpfe zusammen –
Terry lächelte noch immer. Er hatte einen Lauf –
Ihm eröffnete sich eine völlig neue Welt
.
Neil Fontaine liegt bei geöffneten Vorhängen in der Dunkelheit seines Zimmers im Royal Victoria und denkt über Vorhersehung nach. Er schaut auf die Uhr und klopft drauf –
Es ist drei Uhr früh. Das Telefon klingelt drei Mal.
Neil geht nach oben und klopft an die Tür des Juden. Dann ein zweites Mal.
»Ich bin ihr Augen und Ohren«, ruft der Jude.
Neil Fontaine holt den Mercedes. Der Jude wartet in seiner Fliegerjacke.
Sie nehmen die A57 von Sheffield nach Handsworth, Richmond und Hackenthorpe. Sie biegen in die Mansfield Road ein, fahren über die M1 durch das Dörfchen Wales und Richtung Kiveton Park –
Schlackenhalde und Zeche zeichnen sich schwarz und hart vor der Morgendämmerung am Himmel ab –
Dem riesigen, leeren, endlosen Himmel
.
Der Jude sorgt sich, er könnte den Kontakt verloren haben. Er will dorthin, wo gehandelt wird –
»Ich bin ihr Augen und Ohren, Neil«, wiederholt er.
Neil fährt die Station Road entlang. Er parkt an der Kreuzung Hard Lane.
Der Jude steigt aus und sagt: »Halten Sie sich von den Unruhen fern, Neil.«
Neil sieht, wie der Jude die Hard Lane entlang über die Hard Bridge geht –
Zweitausend Streikende und die Hälfte der Londoner Metropolitan Police sind hier – und sieben verdammte Streikbrecher.
Neil lässt die Zigarette zu Boden fallen und tritt sie aus.
Die Metropolitan Police trägt Overalls und Helme. Sie haben Pferde und Hunde dabei. Neil sieht sie durchs Dorf jagen.
Die Polizei will die Streikenden zu einer Seite der Zeche treiben, aber die weichen nicht –
Neil sieht, wie Steine und Stöcke niederprasseln –
Knochen, die brechen, Schimpfwörter, die verletzen
.
Die Polizei hat Metallgitter an ihren Transportern befestigt. Neil sieht sie damit die Straße hinauf- und hinunterfegen.
Neil hat den Juden aus den Augen verloren –
Verdammt
.
Er geht die Hard Lane in Richtung Hard Bridge entlang.
Eine Hand landet auf seinem Arm. Eine Stimme an seinem Ohr sagt: »Hallo, hallo, hallo.«
Verdammt
. Neil dreht sich um –
Paul Dixon steht neben einem neuen schlammverschmierten Montego. Er trägt einen alten dreckigen Anorak, und seine Jeans und Schuhe – Größe 44,5 – müssten ebenfalls gereinigt werden.
»Paul«, sagt Neil. »Wir sollten aufhören, uns so zu treffen.«
Paul Dixon nickt und lächelt. »Sonst reden noch die Leute.«
»Das tun sie immer«, sagt Neil. »Das tun sie immer.«
Paul Dixon öffnet die Autotür. »Hier sind Ihre Leute.«
Neil schaut die Straße entlang und zuckt mit den Schultern. Die beiden steigen ein –
Im Montego stinkt es noch schlimmer als im Allegro.
»Schlafen Sie eigentlich in dem Ding?« fragt Neil.
Paul Dixon schüttelt den Kopf. »Wer sagt denn, dass ich schlafe?«
Sie sehen Polizeipferde über Hecken springen und Gärten zertrampeln.
»Ich dachte, Sie wären der Verbindungsmann der Nationalen Einsatzstelle«, meint Neil.
Paul schüttelt wieder den Kopf. »Zecheneinsatz«, erklärt er.
»Verdammte Scheiße«, sagt Neil. »Warum zum Teufel haben Sie das angenommen?«
»Hört sich aus Ihrem Mund ein wenig lächerlich an«, erwidert Paul.
Neil zuckt wieder mit den Schultern. »Ich bin doch nur Fahrer und Mädchen für alles.«
»Richtig«, sagt Paul höhnisch. »Mädchen für alles. Wenn Sie es sagen.«
Neil schaut ihn an. »Ja, das sage ich.«
Paul Dixon zieht ein Foto aus der Tasche. »Und was würden Sie zu der hier sagen?«
Neil wirft einen Blick auf das Foto.
Lange, blonde Haare, hager
.
Neil schüttelt den Kopf.
Verdammt
. »Hab ich noch nie gesehen, tut mir leid.«
»Da wette ich drauf«, sagt Paul, »da wette ich drauf.«
Neil macht die Augen zu.
Verdammt, verdammt
. »Wer ist sie?«
Paul lächelt Neil an. »Jennifer Johnson?« antwortet er.
Neil schlägt die Augen auf.
Verdammt, verdammt, verdammt
. Er schüttelt den Kopf.
»Die Glückliche, die unseren gemeinsamen Freund, den Mechaniker, geheiratet hat?«
»Ist mir neu«, erwidert Neil. »Außerdem haben Sie mir doch erzählt, er hätte sich aus dem Geschäft zurückgezogen.«
Paul zieht die Schultern hoch. »Vielleicht für immer. Er wird vermisst.«
»Vermisst?« fragt Neil. »Seit wann?«
Paul nimmt ein anderes Foto aus der Tasche. »Seit er Sie, wie man hier sieht, getroffen
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