GB84: Roman (German Edition)
»Viel Glück, Sir«, sagt er.
Der Jude hält inne, schaut Neil an und erwidert: »Danke, Neil.«
Neil sieht, wie der Jude in 10 Downing Street verschwindet –
Das Kabinett des Totalen Krieges
.
Er startet den Motor. Er hat seine eigenen Schritte zu machen –
Rückwärts und vorwärts
.
Roger Vaughan lässt drei Stück Zucker in seinen Kaffee fallen. Er rührt um. Er nimmt den Löffel heraus, klopft zweimal gegen den Tassenrand und legt ihn auf die Untertasse. Er schaut über den Tisch hinweg Neil an –
Neil wartet.
»Glücklicherweise«, fängt Roger an, »sieht es so aus, als wären wir unsere Sorgen bald los.«
Neil wartet immer noch.
Roger Vaughan hebt die Serviette hoch und schiebt einen Umschlag über die Tischdecke.
Neil öffnet den Umschlag und starrt das Foto an –
»Er hat dich beobachtet«, sagt Roger, »hat dich belauscht. Euch beide.«
Neil will etwas entgegnen. Protestieren und lügen, betteln und flehen –
»Lass gut sein«, unterbricht ihn Roger. »Das könnte sich noch als Segen erweisen.«
Neil schaut auf die Tischdecke und schließt die Augen –
Berge von Schädeln. Schachteln voller Kerzen
–
»Er wartet schon«, sagt Roger Vaughan. »Er rechnet mit dir.«
Auf dem Boden lag Verbandszeug herum. Zwei kleine Wattekügelchen. Blut an den Scherenklingen. Blut an den Fingern. Malcolm öffnete die Schachtel. Zwei Kassetten
–
Er nahm das zweite Band heraus, schob es in den Rekorder
. Seite A.
Er drückte auf Vorlauf. Stopp. Er stellte den Ton ein und drehte die Lautstärke leiser
.
Dann drückte er auf Play und ließ alles noch mal ablaufen (ein letztes Mal)
–
»… nein, bitte, nein, bitte, nein, bitte …«
»… da rein, das willst du doch …«
»… bitte, nein, es ist im Landhaus bei Llanymynech …«
»… Schnauze, jetzt ist es zu spät …«
»… bitte nicht, es ist im Landhaus, bitte nicht, im Landhaus, nein …«
»… zu spät!« schrie Julius Schaub. »Zu spät!«
»…«
Malcolm lag auf dem Boden zwischen Bett und Tür. Blutflecken. Kopf nach links gedreht, in einer Blutlache. Wunden am Boden – ein See aus Blut
–
Diese Nächte in der Welt. Schatten überall
.
Malcolm lag blutüberströmt auf dem Boden zwischen Bett und Tür
–
Er wünschte sich den Tag und das Licht herbei
–
Kopf am Boden. 1984. Es klopfte an der Tür
–
Malcolm stand auf und lauschte
.
Geräusche aus dem Tierreich erfüllten den Raum. Wieder klopfte es
.
Malcolm ging zur Tür und berührte die
Notfallhinweise –
Er wischte sich die Augen frei und fragte: »Wer ist da?«
»Zimmerservice.«
Zwischen Bett und Tür. In den Schatten der Nacht
–
Wie sehr er sich den Tag und das Licht herbeiwünschte
.
Es ist die Stunde vor Tagesanbruch. Neil Fontaine parkt an der Einmündung der Gate House Lane in die Mosham Road. Links liegt das Finningley Airfield (außer Betrieb). Rechts Auckley Common. Doncaster geradeaus. Der Jude sitzt hinten mit seinem Armee-Fernglas. Er trägt Kampfkleidung und seine Fliegersonnenbrille.
Neil sieht die sich nähernden Abblendlichter. »Sie kommen, Sir.«
Der Jude schiebt die Sonnenbrille hoch und hebt das Fernglas an die Augen. Vier Lichterpaare fahren die Gate House Lane entlang. Der Jude beobachtet sie durchs Fernglas.
Vier Laster biegen nach links ab und fahren auf der Mosham Road in Richtung Doncaster.
Neil startet den Wagen.
»Sehr beeindruckend«, ruft der Jude von hinten. »Wirklich sehr beeindruckend, Neil.«
Der Mercedes folgt den Bremslichtern durch die graue Dämmerstunde, verliert sie in Doncaster. Für den Augenblick –
Neil parkt in der Nähe der Zeche Rossington. Der Jude klebt an dem Fernglas. In Rossington gibt es keine Streikbrecher. Noch nicht. Sechs Streikposten, ein Pappschild. Zwei Polizisten in ihrem Dienstwagen. Neil schaut auf die Uhr, klopft drauf –
Bentley. Hatfield. Armthorpe
–
Neil dreht sich zu dem Juden um. »Jeden Augenblick, Sir.«
Der Jude nimmt die Sonnenbrille ab, setzt sich auf und sieht durch sein Fernglas.
Neil blickt erneut auf die Uhr und klopft drauf.
»Da kommen sie«, verkündet der Jude. »Da kommen sie, Neil.«
Neil sieht, wie sich die Streikposten erheben und die Polizisten aussteigen –
Neil dreht sich um und sieht die vier Laster durchs Zechentor rasen.
Die Streikposten und die Polizisten rennen den Lastern hinterher, bleiben dann aber stehen –
Die Zechenleitung kommt aus dem Büro und verschwindet wieder –
Alle starren die Laster an –
Fünfzig Mann springen auf
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