GB84: Roman (German Edition)
zwischen dem März 1984 und jetzt«, hatte der Präsident zu ihnen gesagt, »besteht darin, dass wir heute noch entschlossener und noch zuversichtlicher sind als damals.«
Dann waren die Deutschen nach Hause gefahren und hatten den Präsidenten und Len allein gelassen mit ihren Thermoskannen und Bechern, draußen in der Kälte. Keine massive Streikfront, keine Unterbrechung der Stromversorgung –
Kein Champagnerfrühstück im Bett auf Zimmer 308, Hallam Towers Hotel
.
Terry brachte Diane dazu, den Fernseher auszulassen. Irgendwas lief immer. Der Präsident oder der Fette Mann, ein Militanter oder ein Gemäßigter, ein Jeansträger oder ein Tweedjackett, ein Minister oder ein Anzugträger vom NCB. Sie zogen von einem Fernsehstudio zum nächsten, vom Frühstücksfernsehen bis zur
Newsnight
–
Sie redeten in Schleifen, sie drehten sich im Kreis.
Das lenkte nur ab, Terry musste sich auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren –
Die ganze Woche über waren in Vorbereitung der folgenden Woche Meetings angesetzt. Alle wussten, dass am Montag der Weihnachts-Waffenstillstand endete –
Die Feindseligkeiten würden wieder aufflammen
.
Terry ließ Diane im Bett zurück. Für den Augenblick. Er zog sich an. Für den Augenblick –
Dann fuhr er nach Birmingham. Dort nahm er seinen angestammten Platz ein –
Bei den Rittern der ultralinken Tafelrunde
.
»Am Montag kommen wir in eine neue Phase«, verkündete Paul. »Das NCB wird all seine Kraft darauf verwenden, die Zahl der Rückkehrer zu erhöhen, um die magischen fünfzig Prozent zu erreichen …«
Fünfzig Prozent. Fünfzig Prozent
–
Das Mantra für die kommenden Monate, Wochen oder vielleicht auch nur Tage –
Fünfzig Prozent, das hieße Tod für die Gewerkschaft und Ruhm für das NCB
.
»Die Scabs und ihr NWMC haben es geschafft, uns Arme und Beine zu amputieren«, fuhr Paul fort. »Ihre juristischen Schritte, gepaart mit unserer eigenen …«
»Inkompetenz?« ergänzte Dick.
Paul sah Terry an und schüttelte den Kopf. »Oder Intrige.«
»Das sind sehr ernste Anschuldigungen, Genosse«, rief Bill Reed. »Sehr ernste.«
Paul nickte. »Es sind ja auch sehr ernste Zeiten …«
»Und deprimierende noch dazu«, fuhr Terry dazwischen. »Unsere Mitglieder und ihre Familien hungern und frieren, sie flehen um neue Initiativen und um Führung. Und wir sitzen hier rum mit unserem Toast und unserer Zentralheizung und quatschen und debattieren über Änderungen in einem Regelwerk, dem bald die Gewerkschaft fehlt, wenn wir uns nicht alle der Realität stellen, und zwar schnell …«
»Der Realität?« sagte Paul lachend. »Was weißt du denn schon von Realität, Genosse?«
»Ich weiß, dass dieser Streik über zweieinhalb Milliarden Pfund gekostet hat«, brüllte Terry. »Und dass diese Regierung unbegrenzt weitere Milliarden ausgeben wird, um uns zu schlagen – das ist die Realität, so viel weiß ich.«
Paul schüttelte den Kopf, seufzte, hielt die Hände in die Höhe und setzte sich.
Bill Reed drückte sich die Nasenspitze mit zwei Fingern und sagte: »Wir alle sind manipuliert und vernichtet worden – vernichtet – VERNICHTET !«
»Aber von wem?« fragte der Präsident. »Das ist doch die Frage.«
Es ist Mitternacht geworden. Neil wäscht sich die Hände im Waschbecken des Privatbadezimmers im Büro des Juden im Hobart House, immer und immer wieder. Dann trocknet er sie ab und geht ins Büro zurück.
Der Jude steht mit seinen Dosen voller Stecknadeln neben den Telefonen. Der Jude und die Zechendirektoren hegen große Hoffnungen auf hohe Rückkehrerzahlen. Es hat Anzeigen in allen großen Zeitungen gegeben, neue Bestechungsgelder, über dem Tisch, unter dem Tisch, Steueranreize, zinsfreie Kredite. Bargeld im Voraus –
Mit der Anzahl wächst die Sicherheit. Große Anzahl, große Hoffnungen
.
Der Vorsitzende hat sogar aus Palm Beach angerufen, um ihnen Glück zu wünschen –
Das werden sie brauchen. Im Innersten seines Herzens weiß der Jude, dass sie es brauchen werden.
Er steht neben den Telefonen und wartet –
Doch im Innersten seines Herzens weiß der Jude, dass es noch nicht so weit ist. Nicht an diesem Morgen. Noch nicht.
Die Direktoren werden dem Wetter die Schuld geben. Nächsten Montag werde es besser laufen –
Der Jude wird enttäuscht sein. Doch im Innersten seines Herzens ist es ihm egal. Er betrachtet die übrig gebliebenen roten Nadeln und lächelt. Er mag Symmetrie und Präzision. Im Innersten seines Herzens. Die sechs Zacken
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