GB84: Roman (German Edition)
eines Sterns –
»Der 6. März«, verkündet er. »Das wird der letzte Tag des Streiks sein.«
PETER
verschwanden in der Suppenküche, um vor dem Heimweg noch zu frühstücken. Es hatte geschneit, und die Sonne schien. Die Stimmung war noch immer gut, und ich fühlte mich schlecht wegen meiner Haltung zu Neujahr. Vielleicht wurde ja doch noch alles gut. Doch dann schlug ich die Augen auf und schaute mich um – Die Männer im Welfare Club warteten nur auf ein Wort. Draußen standen sie Schlange mit ihren Stromrechnungen – Kumpel schoben Schubkarren durchs Dorf, um im Schnee auf der Halde Kohlen zu klauben. Polizei an jeder Straßenecke. Entweder spuckten sie vor sich hin oder grinsten die Frauen mit ihren Babys an – Das Ganze sah aus wie eine zu spät eingetrudelte Weihnachtskarte aus der Hölle. Der tiefsten Hölle – Ich stieg ins Auto und startete den Motor. Ich trat aufs Gas, ließ den Wagen aufheulen – fuhr zum Ausschuss . Vor Weihnachten hatten die Leute noch was, worauf sie sich freuen konnten, meinte Derek. Da gab es noch einen Sinn, ein Gemeinschaftsgefühl, das Wissen, dass man sich half. Es gab Unterstützung aus London. Aus dem Süden. Aus anderen Ländern. Jetzt sehen die Leute nur noch einen nicht enden wollenden Streik. Niederlagen. Heathfields Auftritt und seine Aussage, es werde keine Stromsperren geben, waren eine Katastrophe, meinte Tom. Hätte genauso gut sagen können, wir müssen noch ein Jahr streiken – Wenn es sein muss, erwiderte Johnny. Wenn es sein muss – Johnny, sagte ich, sei mir nicht böse, aber das schaffen die Leute nicht – nicht noch ein Jahr. Derek nickte. Über so etwas zu reden, ist es noch verfrüht, meinte David Rainer. So als ob wir schon verloren hätten – Die Sache realistisch zu sehen, entgegnete Tom, darum geht es doch. Derek nickte wieder. Wenn es keine Stromausfälle gibt, sagte er, ist unsere ganze Strategie am Arsch – Das ist sie doch eh, sagte ich. Es gibt keinerlei Unterstützung. Nur Gerede. Kein Flugblatt. Kein verdammter Aufmarsch. Und das nach all dem, was auf dem Kongress im September groß getönt wurde – Kein Geld. Keine Unterstützung. Nichts – Tja, so ist das mit der Gewerkschaft, sagte Johnny. Die Geschichte wiederholt sich. So sieht es aus. David Rainer schüttelte den Kopf. Der Streik dauert jetzt schon länger als 1926 – Das Ergebnis wird trotzdem das gleiche sein, entgegnete Tom. Geschlagen und zerschlagen – Geschlagen und zerschlagen, wiederholte Derek. So sieht’s aus. Denkt an meine Worte – Im Welfare Club hatten wir einen tragbaren Fernseher. Schwarz-weiß, klein, völlig abgenudelt. Aber er war in bester Gesellschaft. Die Leute hockten den lieben langen Tag davor und glotzten ihn an. Warteten auf Neuigkeiten. Ich fürchtete mich schon davor, vom Ausschuss zurückzukehren, ohne ihnen was sagen zu können. Die Hälfte von denen wusste ohnehin mehr als ich. Jeder las eine andere Zeitung, und dann hockten sie da und verglichen die jeweiligen Artikel. Es gab ja kaum etwas anderes zu tun, außer auf Neuigkeiten zu warten und zu reden – bla, bla, bla. Mehr hatte ich die letzten verdammten zehn Monate nicht getan. Reden und zuhören. Aber die Leute hatten genug davon, das merkte ich. Bei den Ortsansässigen war es Mitte Januar langsam zu Ende mit dem guten Willen. Im Dorf selbst war die Polizei nicht so präsent. Irgendwie schienen die Leute vergessen zu haben, was geschehen war. Ich hörte, wie manche sich darüber beschwerten, wie viel doch die Kinder der Bergleute zu Weihnachten bekommen hätten. Als ob die Kinder was dafür konnten – Ich hörte sie meckern, dass die Bergleute und ihre Familien zu viel zu essen und zu trinken hätten. Und rauchen täten sie auch noch – es sei bei denen wohl gar nicht so schlimm, wie sie behaupten würden. Sie würden wohl eher gerne streiken – Das machte Mary völlig irre. Beinahe wäre sie deswegen gefeuert worden, als eine Vorgesetzte davon anfing, dass sie im Fernsehen all diese Weihnachtsfeiern für die Kinder gesehen habe, mit Tombola und allem. Die Bergleute hätten es so gut wie nie gehabt, und überhaupt, warum taten den Leuten denn nur die Bergarbeiterfamilien leid? Für sie und ihre Familie würde ja auch keiner was tun, nicht einmal, als ihr Mann mit den Stahlarbeitern gestreikt habe – Mary bot ihr gleich Paroli. Sagte ihr, sie hätte ja keine Ahnung, wie schlecht es den Leuten gehe. Und dass es allein die Fürsorge und Großzügigkeit anderer gewesen sei, die den
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