GB84: Roman (German Edition)
waren wir am Arsch. Dann konnten wir nichts dagegen machen – nichts Richtiges. In den Paketen, klagte Mrs. Kershaw, sollten Würstchen sein, Koteletts, Leber oder Schinken. In den letzten drei Paketen war jedoch nur Gehacktes, verdammt. Mrs. Wilcox hatte aber Würstchen, die hatte auch Koteletts, Leber und Schinken – Tut mir leid, sagte ich. Ich rede mit den Damen, die die Pakete packen – Sparen Sie sich die Mühe, sagte sie. Die achten doch nur auf ihre Leute. Ich kenn die Sorte – Ich nickte und schrieb alles auf – Mal sehen, was ich tun kann, versprochen, sagte ich – Nichts, entgegnete sie. Das ist es, was Sie können. Diese Gewerkschaft ist eine Schande. Eine verdammte Schande. Eier. Bohnen. Brot. Spaghetti. Das ist alles, was wir zu essen kriegen. Und das geht schon fast ein Jahr so. Aber ich habe Augen im Kopf, und ich habe Sie gesehen, Peter Cox. Sie haben kein Gramm Gewicht verloren, oder? Und schlafen Sie auch gut? Da wette ich –
Ich warte auf die Pferde. Hufgetrappel. Knüppel
– Ein schlechter Tag. In einer schlechten Woche. Am Montag kehrten in Kiveton hundertfünfzig Mann zur Arbeit zurück. Hundertfünfzig an einem Tag. Viele im Welfare Club meinten, das war’s – War ein erschreckender Anblick im Fernsehen. Durch Schnee und Matsch, frierend und hungernd zurück zur Arbeit – das war die Wahrheit. Durch Kälte und Hunger wurden sie zurückgetrieben – Es tat weh, sie so die Zechenzufahrt entlanggehen zu sehen. Mit Plastiktüten für die Kohlebrocken und dünnen alten Mänteln gegen die Kälte – Die Streikposten sagten nicht viel. Das hier war etwas anderes – das waren nicht die üblichen Zechentrottel. Die Irren und die Großmäuler – Das waren ehrliche, anständige, hart arbeitende Bergleute, mit denen man Seite an Seite gearbeitet und gelebt hatte. Das waren unsere Freunde, die da mit Plastiktüten und dünnen Mänteln durch Schnee und Matsch zogen. Verfroren, hungrig – ein entsetzlicher Anblick. Es brach einem das Herz – In derselben Nachrichtensendung erklärten NCB und Regierung, dass es keine weiteren Gespräche mehr gäbe – Seit den letzten Verhandlungen waren drei lange Monate vergangen. Und wieder gab es jede Menge Gerüchte – Das NCB verkündete, in unserer Zeche wären nun hundertfünfzig Kumpel. Vor vierzehn Tagen wären es sechzig gewesen – es war schrecklich. Man wusste nicht mehr, wer den Streik brach und wer nicht – Die Jungs standen da und logen dir frech ins Gesicht. Die Leute beschuldigten sich gegenseitig – Tja, und wenn jemand schon als Scab gebrandmarkt war, dann dachte er, scheiß drauf, und schon ging er wieder zur Arbeit. Das NCB und die Streikbrecher unterstützten das ja auch noch – nahmen sich ganze Straßen vor, bewegten die Mehrheit, wieder in die Zeche zu gehen, isolierten die Familien, die noch immer widerstanden. Sie übten Druck aus, brachten in Umlauf, dass sie eingeknickt seien, auch wenn das gar nicht stimmte – Ganze Arbeitsgruppen fielen so um – man rief sich gegenseitig an. Einer für alle, alle für einen, dieses Zeug. Denen war es egal, was die anderen dachten, solange das Team geschlossen mitmachte. Das konnte ich verstehen – sie mussten ja schließlich zusammen arbeiten. Sich gegenseitig vertrauen – Ein paar Scabs versuchten sogar, Rückkehraktionen zu organisieren. Man sprach davon, dass »Silver Birch«, der mediengeile Streikbrecher, und das National Working Miners’ Committee sich einschalten sollten. Ich ging zum Ausschuss , und in allen Zechen war es dasselbe – Es gab Gerede darüber, Nottingham auszuschließen. Gerüchte, dass die während des Streiks gefeuerten Bergleute amnestiert werden könnten – Ich sagte nichts dazu. Ich fuhr nach Hause – Mary war bei einem Treffen der Action Group. Jackie war bei einer Freundin – ich war allein. Ich setzte den Wasserkessel auf und schaltete die Nachrichten an. Dann setzte ich mich hin – Einige Minister erklärten, sie würden den Streik so lange fortsetzen, bis er zusammenbräche – Keine weiteren Gespräche. Keine Zugeständnisse. Keine neuen Chancen mehr – Ich stand auf und schaltete aus. Ich nahm die Zeitung und legte sie wieder weg. Setzte mich hin. Stand auf und ging auf und ab – ich fühlte mich, als hätte mir jemand ein Messer in den Bauch gerammt. Mir war kalt. In mir fühlte es sich grässlich an. Einfach grässlich – ich ging auf und ab. Marys Ausschnittsammlungen lagen auf dem Tisch. Die wahre Geschichte des Streiks um Arbeit. Ich nahm
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