GB84: Roman (German Edition)
sie, die frühen Bände –
Jetzt geht’s los, jetzt geht’s los, jetzt geht’s los
– Ich blätterte. Die ersten paar Tage in Sheffield –
Wir werden siegen, wir werden siegen, wir werden siegen
– Der Aufmarsch in Mansfield. Die Gala in Wakefield. Orgreave – Ich legte es beiseite und ging wieder auf und ab. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Mir war ganz übel – als könnte ich von einem Trip nicht runterkommen – So etwas hatte ich mein Lebtag noch nicht verspürt. Du verlierst den Verstand, dachte ich. Kommst bald in die Klapse, alter Knabe – Mary und Jackie werden nach Hause kommen
SIEBENUNDVIERZIGSTE WOCHE
Montag, 21. Januar – Sonntag, 27. Januar 1985
»Was viel wichtiger ist«, sagt der Jude, »wie schlafen
Sie
, Neil?«
Neil Fontaine stellt das Frühstückstablett ab und antwortet: »Wie ein Baby, Sir.«
»Ach, Sie wachen also vier Mal die Nacht auf und schreien sich die Lunge aus dem Leib, um mal am Busen zu nuckeln und frisch gewickelt zu werden, Neil?«
Neil schenkt Darjeeling-Tee ein. »Ganz genau, Sir.«
»Ganz genau?« lacht der Jude. »Drollig, Neil. Sehr, sehr drollig.«
Neil reicht dem Juden den Morgentee und die
Times
.
Der Jude ist noch im Morgenmantel und hat die Füße in den Slippern auf das Sofa gelegt. Er trinkt den Tee und blättert durch die Zeitung, als das Telefon klingelt. Drei Mal.
Neil geht dran. »Mr. Sweets Suite?«
Er lauscht und reicht dem Juden den Hörer. »Der Minister, Sir.«
Der Jude nimmt den Hörer mit einem Lächeln und einem Zwinkern. »Guten Morgen, Sir.« Er lauscht, hört auf zu lächeln und brüllt schließlich los: »Hat verdammt noch mal was?«
Die Woche hatte nur drei Tage. Zum Lichtmachen gab es nur Kerzen
–
»… die CIA geht davon aus, dass der gegenwärtigen Streikwelle in Großbritannien erheblich finsterere Motive zugrunde liegen als nur der Wunsch nach Lohnzuwachs …«
Panzer umstanden alle großen Flughäfen
–
»… gehen wir davon aus, dass das Ziel darin besteht, eine Situation zu erzwingen, in der eine demokratische Regierung unmöglich weiter handeln kann …«
Großbritannien im Jahre 1974, Ausnahmezustand
–
»… sind auf ihrem eigenen Territorium zu eingeschränkt und zu zögerlich, jene Maßnahmen durchzuführen, die nötig sind, um Terroristen und subversive Elemente aufzuspüren und zu eliminieren …«
Sie befreiten Malcolm aus der sechsfingrigen Faust und steckten ihn zurück in den Bauch
–
»… die CIA hat Agenten in allen britischen Gewerkschaften. Es handelt sich um britische Staatsangehörige, die von CIA-Mitarbeitern rekrutiert worden sind …«
Zurück an die Arbeit, beobachten, lauschen
–
»… und eine ganze Weile haben wir nun schon mehrere britische Regierungen davon zu überzeugen versucht, welche Macht die Subversiven in der Gewerkschaftsbewegung haben …«
Zurück, um zu lernen
–
»… der gegenwärtige Zustand des Landes macht es zu einem Paradies für Unruhestifter …«
Ehebruch, Betrug, Täuschung, Untreue, Verrat
.
Das alles bringt Neil um, diese Todesdrohungen, dieses letzte Aufbäumen –
Die Anzugträger des NCB und die Gemäßigten der Gewerkschaften haben miteinander geredet –
Reden. Reden. Reden
–
Schon immer sind Zechen aufgrund erschöpfter Lagerstätten geschlossen worden. Oder aufgrund geologischer Bedingungen. Oder aus –
Vielen, vielen anderen Gründen
–
Über die haben die Anzugträger und die Gemäßigten gesprochen –
Die anderen Gründe
.
Die Anzugträger und die Gemäßigten haben so viel geredet, dass sie tatsächlich glauben, sie würden Fortschritte machen –
Das NCB ist bereit, bei den fünf bedrohten Zechen Kompromisse einzugehen. Die Gewerkschaft ist ganz allgemein bereit, bei unwirtschaftlichen Zechen Kompromisse einzugehen –
So nennen sie es, und so erzählen sie es auch jedem –
Jedem, der zuhört –
Der Regierung und dem TUC. Dem Rest des NCB und dem Rest der Gewerkschaft. Den arbeitenden und den streikenden Bergleuten. Der Presse und der Öffentlichkeit
–
Sie erzählen jedem, dass
Verhandlungen
noch immer
im Bereich des Möglichen
liegen –
»Im Bereich des Möglichen!« kreischt der Jude. »Nur über meine Leiche, verdammt!«
Der Jude wird sich baldmöglichst darum kümmern –
Zweieinhalb Milliarden Pfund sind bis zum heutigen Tag für den Streik aufgewendet worden oder verloren gegangen. Tausende von Polizisten und Reserveeinheiten sind mobilisiert worden, Tausende von Bergleuten wurden verhaftet.
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