Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
Vom Netzwerk:
selber hassen. Aber wer kümmert sich denn um unsere Tochter, wenn ich mal nicht mehr bin? Ich bin krank, und ich weiß, die ärztliche Untersuchung werde ich nicht bestehen. Ich werde wieder zur Arbeit gehen, um mir eins von diesen Abfindungsformularen zu holen, damit ich ihr etwas von dem zurückgeben kann, was sie mir das letzte Jahr über gegeben hat. Ach, jedes verdammte Jahr. Ich werde doch nicht einfach an dem verdammten Kohlenstaub krepieren und sie ohne was zurücklassen. Dann steht sie auf der Straße. Ich bin alles, was sie hat, und dieser beschissene Job ist alles, was ich habe. Wenn ich den verliere, haben wir nichts mehr – Darauf konnte ich nichts erwidern. Ich ließ ihn – Ich ging nach Hause , nach oben ins Schlafzimmer, und zog mir die Decke über den Kopf. Steckte mir die Finger in die Ohren – Ich wollte niemanden sehen, niemanden hören –
Nicht Martin. Auch nicht meinen Vater
– Das war die schlimmste und seltsamste Woche, die ich je erlebt hatte – Es gab Versammlungen und Aufmärsche. Ich ging zu den Versammlungen und Aufmärschen – aber es kam mir so vor, als würde das alles ein anderer erleben. Nicht ich – Die außerordentliche Delegiertenkonferenz hatte das letzte wertlose Dokument abgelehnt. Eine letzte große Demonstration am Trafalgar Square. Nottingham hob das Überstundenverbot auf – Am Montag gingen fast viertausend Mann zur Arbeit – Endlose Gespräche über vertraglich festgelegte Rückkehr zur Arbeit. Rückkehr mit Amnestie oder ohne – Regionaltreffen . Es war gesteckt voll – alle hörten Arthur zu, sahen ihn an – Ich möchte eins klarstellen, sagte er, dieses Exekutivkomitee wird sich niemals dafür hergeben, ein Dokument zu unterzeichnen, das die Schließung von Zechen besiegelt, die Streichung von Arbeitsplätzen, die Zerstörung unserer Gemeinschaft – Es kam mir so vor, als würde das alles ein anderer erleben. Als würde Arthur über etwas sprechen, das anderen Leuten zustieß, anderswo – nicht mir, meiner Familie, meinen Freunden, meiner Zeche, meinem Dorf, meinem Land. Meinem verdammten Land – Ich war nur noch eine Hülle, nicht mehr ich – nach all den Monaten, all den Wochen und Tagen – Nur noch eine Hülle. Eine leere Hülle –
Nicht diesmal. Nicht jetzt
– Es gab so viele Versammlungen , so viele Worte. Die wichtigen Leute fuhren nach London. Wir anderen konnten nur warten – warten und fernsehen – Wieder mal Sonntag. Ruhetag – Ich saß mit Mary und Jackie auf dem Sofa . Martin war mit Chris losgezogen, um irgendwo ein paar Möbel zu verhökern – Der Fernseher war an. Die Heizung war aus – Wir hatten den Nachmittag im Pinderfields Hospital verbracht, weil Marys Mutter gestürzt war und sich mit einem Topf heißer Milch verbrüht hatte. Erst das, und dann noch die Rückfahrt im Regen – Es goss wie aus Eimern. Ein schlimmer Tag – Ich saß da. Mit einem Tee, wieder mal ohne Milch – Mitten in einer Folge von
Dad’s Army
: Sondermeldung –
Streik der Bergleute ist beendet
– das war alles. Einfach so – Ich dachte, ich würde auf der Stelle ohnmächtig – Ich sah, dass Mary und Jackie mich nicht anschauen konnten, nicht wussten, was sie sagen sollten. Aber was gab es denn auch zu sagen? – Aus. Vorbei. Wir hatten verloren. Ende – Ich stand auf. Die Zähne fest zusammengebissen. Ich ging durchs Zimmer, warf ein paar Sachen dabei um – Ich blinzelte, unterdrückte die Tränen – Ich ging nach oben und stürzte ins Schlafzimmer . Ich legte mich aufs Bett , vergrub mein Gesicht im Kissen und weinte. Dann legte ich mich auf den Boden . Ich weinte und weinte. Unten klingelte das Telefon. Ich hörte, wie Mary abhob, hörte sie meinen Namen rufen. Dann sagte sie, ich wäre wohl eingeschlafen. Ja, sagte sie. Er hat die Nachricht mitbekommen. Er weiß Bescheid. Danke. Sie legte auf und kam nach oben. Ich hörte, wie sie die Tür öffnete und ans Bett trat – Sie nahm mich in die Arme. Legte ihren Kopf auf meinen Rücken – Ich liebe dich, sagte sie. Ich bin stolz auf dich. Auf das, was du alles getan hast. Was du in all den Monaten gesagt hast. Das ganze letzte Jahr über. Das werde ich nicht vergessen – Ich wischte mir über das Gesicht, trocknete meine Augen, drehte mich um und küsste sie – Küsste sie auf die Ohren, die Augen, den Mund, die Haare – Ich hielt sie und spürte ihr Herz klopfen – Stark. Stetig. Fest. Treu – Ich spürte ihren Herzschlag und schloss die Augen –
Diesmal bin ich es. Hier – in der

Weitere Kostenlose Bücher