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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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Neil Fontaine hat sich für dieses Dinner in eine Donkeyjacke gezwängt. Er hilft dem Juden in dessen Jacke –
    Auf dem Rücken steht
NCB
.
    Der Jude steht mitten in seiner Suite, in einer Arbeitsjacke. »Mit den Wölfen heulen, hm, Neil?«
    »Ich fürchte ja, Sir.«
    »Also, dann los«, sagt der Jude. »Wir wollen doch nicht Nero und seine Spiele verpassen.«
    Neil begleitet den Juden nach unten. Sie durchqueren die Hotelhalle und treten hinaus in die strahlende Sonne Sheffields. Der Jude setzt seine Sonnenbrille auf und schaut zu den Helikoptern hoch.
    Neil führt den Juden durch die menschenleeren Nebengassen auf den Lärm zu. Er bringt ihn zur Memorial Hall, zu den Gesängen –
    Der Jude sieht:
    Die außerordentliche Delegiertenkonferenz der National Union of Mineworkers
.
    Siebentausend Mann auf der Straße. Eine einzige Botschaft auf den Lippen, auf den Abzeichen und Plakaten:
    Keine Abstimmung
.
    Der Jude wartet im Schatten. Neil steht hinter ihm.
    Der Jude beobachtet die Menschenmenge und hört zu, hört ihre donnernden Jubelschreie.
    Der Jude beobachtet die Sprecher und lauscht einer Rede nach der anderen –
    Gegen die Regierung. Gegen die Polizei. Gegen den Staat. Gegen das Gesetz
.
    Der Jude hört, wie die Reden aufgenommen werden, hört den donnernden Zuspruch –
    Nicht für die Labour Party. Nicht für die parlamentarische Opposition. Nicht für die Demokratie –
    Für eine außerparlamentarische Opposition. Für ihren Präsidenten
.
    Sie haben ihren Sieg, und der Präsident hat seinen –
    Seinen Sieg. Seine Siegesrede:
    »Ich bin der Hüter des Regelwerks, und ich möchte meinen Kollegen in der Union sagen, dass es in diesem Werk eine Regel gibt, die vor allen anderen kommt, und die lautet im Falle eines Streiks – MAN ÜBERSCHREITET UNTER GAR KEINEN UMSTÄNDEN DIE STREIKLINIE .«
    Der Jude hört zu und beobachtet –
    Er sieht, wie sie ihrem Anführer applaudieren. Er sieht, wie die Delegierten abziehen. Er sieht Männer, die nach Flaschen und Steinen greifen, sie gehen auf die Presse los –
    Die Fotografenreihen, die Fernsehteams.
    Sie greifen die Polizei an, und die Polizei erwidert den Angriff. Er sieht die Kneipenschlägereien und die Greifkommandos.
    Der Jude steht im Schatten. Neil steht hinter ihm.
    Es ist Donnerstag, 19. April 1984 –
    Gründonnerstag –
    »Das hier ist nicht Großbritannien«, flüstert der Jude. »Das ist ein Aufmarsch in Nürnberg.«
    »Was zum Henker ist das, Winters?«
    Terry sah von seinen Zahlen auf. Paul Hargreaves stand vor seinem Schreibtisch, Len Glover in der Tür. Paul hielt ihm ein Stück Papier hin –
    Einen Brief.
Den Brief
.
    Terry legte seinen Stift beiseite und nahm die Brille ab.
    Len trat ein und schloss die Tür.
    »Gibt es ein Problem, Genossen?« fragte Terry.
    Paul knallte das Blatt auf Terrys Schreibtisch –
    »Ja, es gibt ein Problem,
Genosse
«, brüllte er. »Du bist das verdammte Problem!«
    »Hab ich was falsch gemacht?« fragte Terry.
    Paul glotzte ihn an und tippte auf den Brief. »Du hast das hier geändert«, antwortete er.
    »Hab ich das?« erwiderte Terry. »Wirklich?«
    Paul streckte die Hand aus und wollte Terry packen. Len hielt ihn davon ab –
    »Was meinst du damit,
wirklich
?« schrie Paul. »Das weißt du doch ganz genau, verdammt. Du bist so ein arrogantes Arschloch, Winters! Arrogant und …«
    »Dann entschuldige ich mich hiermit«, unterbrach ihn Terry. »Ich entschuldige mich bei euch, Genossen.«
    Wieder sprang Paul auf den Schreibtisch zu. Len hielt ihn zurück –
    »Das war eine gute Gelegenheit, verdammt, und du hast sie ruiniert«, schrie Paul. »Erledigt. Es gibt nichts mehr. Kein Treffen. Nichts. Ich hoffe, du bist zufrieden mit dir,
Genosse
. Erledigt. Finito. Und, bist du jetzt zufrieden,
Genosse

    »Ich habe also einen Fehler gemacht«, sagte Terry. »Ich dachte, der Präsident habe erklärt, Zechenschließungen und Verluste von Arbeitsplätzen seien nicht verhandelbar. Ich dachte, ich würde unsere Position noch einmal darlegen. Tut mir leid.«
    Len ließ Paul los. Paul starrte Terry Winters an –
    Terry lächelte zurück –
    Len schüttelte den Kopf und öffnete die Tür. Paul zeigte mit dem Finger auf Terry –
    »Ich hab dich im Blick, Winters«, sagte er.

MARTIN
    Martin! Bitte – Geh endlich weg! Ich hasse dich! Ich lehne den Kopf an die Tür. Es tut mir leid, sage ich, ich – Lass mich einfach in Ruhe, um Himmels willen, brüllt sie. Lass mich in Ruhe! Ich gehe nach unten, ziehe meine Jacke

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