Gears of War - Aspho Fields
anderes Mal, Dad«, sagte Marcus, als ob sie Geschäftskollegen wären, die eine Besprechung absagen mussten. »Ich muss los, Dad.«
Carlos hätte eine ordentliche Schlägerei vorgezogen, bei der alles ans Licht kam und abgefertigt wurde, damit endlich reiner Tisch war. Aber Leute wie die Familie Fenix schienen nicht auf die gleiche Art zu ticken. Carlos folgte Marcus den Kiesweg hinunter und dann trotteten sie ziellos und schweigend durch die Gegend, bis sie das Zentrum von East Barricade erreichten und dort ein Straßencafé fanden.
»Dom wird heiraten«, sagte Carlos schließlich. »Ich wollte dir nichts davon erzählen, bevor du die Sache mit deinem Dad nicht hinter dich gebracht hast. Maria erwartet ein Baby.«
Für einen Augenblick verlor Marcus seinen frostigen Gleichmut, nur ein kurzes Aufblitzen der Überraschung, aber bei ihm war das schon etwas Besonderes.
»Wow«, sagte er schließlich. »Wie haben deine Eltern das aufgenommen?«
»Ziemlich gut.«
»Wie will er sich das leisten? Schmeißt er die Schule?«
»Er musste Mom versprechen, dass er die Prüfungen abschließt. Du kennst Dom. Der kriegt das hin.«
»Er braucht Geld. Hör mal, wenn’s was gibt, von dem ich reichlich hab, dann Geld. Ich könnte …«
»Er kommt schon zurecht. Danke.« Carlos sah ein, dass sich das schroff anhörte, aber Dom würde niemals von irgendjemandem Geld annehmen. Er versuchte, die Abfuhr etwas abzuschwächen. »Scheiße, das war undankbar. Entschuldige, Marcus. Es ist nur so, dass Dom sich nicht als richtiger Mann fühlen würde, wenn er seine Familie nicht ohne Hilfe durchbringen kann. Hey, wenn’s mit der Zeit hinhaut, könnten wir beide vielleicht in Uniform bei der Hochzeit dabei sein. Mit Stil.«
»Wenn das ’ne Einladung sein soll, ja. Danke.«
»Als ob du ’ne Einladung brauchtest. Du bist ein Ehren-Santiago. Du gehörst zur Familie.«
Carlos lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah dem Kommen und Gehen der Zivilisten zu, die den Tag genossen. Der Krieg war weit von Ephyra entfernt, zumindest geografisch; emotional fand der Konflikt jedoch genau hier statt, in jedem Haushalt. Nach mehr als siebzig Jahren der Kampfhandlungen gab es kaum noch eine Familie, bei der nicht irgendein Mitglied im Krieg gekämpft hatte, immer noch diente oder in der Verteidigungsindustrie arbeitete. Jeder wusste um die Realität des Krieges. Niemand konnte ihn ignorieren. Niemand wollte das.
Ob wir um andere Treibstoffe kämpfen würden, wenn wir die Imulsion nicht entdeckt hätten? Um Wasser? Mineralien? Trashball?
Es schien keine Rolle mehr zu spielen. Feinde zu sammeln besaß eine eigene Trägheit, und die COG hatte reichlich davon. Carlos machte sich keine großen Sorgen um die Zukunft, weil sie ohnehin nur schwer vorstellbar war, aber jetzt hielt er die Zukunft tatsächlich in den eigenen Händen, zusammen mit einem Sturmgewehr. Er fühlte sich dadurch anders. Wie genau, versuchte er immer noch zu definieren.
Marcus studierte gedankenverloren die Oberfläche seines Kaffees. Er sprach nie viel von seinem Vater, aber Carlos nahm an, dass er sich wahrscheinlich nach Glückwünschen und Beistand zu seiner Entscheidung sehnte, obwohl er genau wusste, dass er sie nie bekommen würde. Vielleicht war es schon sein ganzes Leben lang so gewesen. Das hätte viel erklärte. Er musste unendlich viele Hürden nehmen, ohne je das erhoffte Lob zu bekommen.
»Sei mal ehrlich, Marcus.« Carlos knuffte Marcus mit dem Ellbogen und der Löffel auf seiner Untertasse fiel klappernd auf die metallene Tischplatte. »Machst du das nur, weil ich mich eingeschrieben habe oder um deinen Alten auf die Palme zu bringen?«
»Das musst du mich wirklich fragen?«
»Naja, schon. Ist ja nicht so, als würdest du mir alles haarklein erzählen. Ich muss mir ’ne Menge zusammenreimen.«
Marcus’ Schweigen verriet Carlos oft mehr als das, was er tatsächlich sagte. Jetzt starrte er wieder in seine Tasse.
»Weil es der einzige Ort ist, an dem ich mich zu Hause fühlen werde, mit Leuten, die mich verstehen«, sagte er schließlich.
»Scheiße, wenn dich irgendjemand versteht, dann können sie dich mir vielleicht erklären.« Carlos brachte ein Lachen zuwege. Ja, Marcus wünschte sich die allgemeine Kameradschaft des Armeelebens, aber er wollte auch mit seinem Kumpel zusammen sein. Carlos verstand das. Es war komisch, einen Typen vor sich zu haben, dessen Familie alles besaß und der trotzdem noch nach etwas suchte, das sie ihm weder kaufen, noch
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